Die Brands haben das Bergsteigen im Blut
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Die Brands haben das Bergsteigen im Blut In den Fussstapfen des Vaters bis zur Eiger-Nordwand

Viele erleben die Freuden der Berge als Kinder mit ihren Familien, bevor sich die Wege trennen. Andere halten sich die Treue, wie die Waadtländer Bergführer Willy und Fabien Brand, die seit mehr als 25 Jahren eine eingespielte Seilschaft bilden.

Zunächst biegt man in eine Nebenstrasse, fährt über einen Kiesweg, steigt ein steiles Stück zu Fuss hoch, passiert ein ländliches Gebiet und zieht schliesslich beim Haus der Familie Brand an einer Glockenschnur, bevor man eintritt. Was man dann sieht, ist keine Angeberei, sondern echte Einfachheit der Berge. Das Gebälk ist massvoll mit Schnitzereien verziert, die Wände sind mit Hanfseilen oder echten Robbenfellen geschmückt. Man spürt die Tradition. Ein riesiges Poster vom Grand Muveran, den beiden markanten Gipfeln der Waadtländer Alpen, setzt einen Farbakzent und rundet das Ganze ab. Hier ist nicht nur Fabien, sondern auch sein Vater Willy Brand aufgewachsen, beide haben in diesem Haus ihre ersten Schritte gemacht. «Diese Region ist wirklich prägend», sagen sie unisono.

Frühe Entscheidung

Ein bisschen wie bei Obelix, dessen Sturz in den Zaubertrank sein Leben geprägt hat, war das Schicksal Fabiens (29) schon in jungen Jahren besiegelt. «Es liegt ihm im Blut», sagt Monique, seine Mutter. Mit zweieinhalb Jahren stand für ihn die Zukunft schon fest: Er wollte Bergführer und Zimmermann werden, davon war er nicht mehr abzubringen. Kurz bevor er fünf Jahre alt wurde, betreuten seine Eltern ein JO-Lager in der Cabane d’Orny CAS. Und schon da wollte Fabien lieber mit ihnen gehen, als beim Hüttenwart zu bleiben. Wenig später bestieg er dann bereits seinen ersten Dreitausender, den Portalet (3343 m), wo er seine kleine Körpergrösse ausnutzte, um Taschenmesser aus den Felsspalten in Gipfelnähe herauszufischen. Mit sieben Jahren bezwang er die Miroir de l’Argentine, eine imposante 450 Meter hohe Kalksteinplatte in der Nähe des Chalets.

In der Familie Brand haben alle Vorschläge Platz, sie setzt sich keine Grenzen. Erzwungen wird aber nichts. Einmal, Fabien war bereits zwölf, fragte er seinen Vater: «Sag mal Paps, meinst du, ich kann das Matterhorn besteigen?» Willy entgegnete im ersten Moment, dass das eigentlich kein Problem sei, nahm seine Aussage aber gleich wieder zurück: «Welchen Floh habe ich ihm damals bloss ins Ohr gesetzt?», denkt er heute laut darüber nach. Wenig später kam Fabien erneut auf das Thema zu sprechen, bis Willy nachgab und sie eines abends nach der Schule zur Hörnlihütte hinaufstiegen. Weder der frisch gefallene Schnee noch die Kälte konnten die beiden am nächsten Tag von ihrem gemeinsamen Vorhaben, das Matterhorn zu besteigen, abbringen. An eine Anekdote erinnern sich beide noch gut: Als Fabien auf dem Rückweg zur Hütte von Wanderern gefragt wurde, ob ihm das Übernachten in der Berghütte Spass mache, entgegnete er: «Es geht mir nicht um die Hütte. Ich bin auf das Matterhorn gestiegen!»

«Melde dich, wenn du unten bist»

Die Ellbogen auf den Tisch gestützt, blickt Fabien zu seinem Vater. «Danach hatte ich eine Phase, in der ich meinen eigenen Mist bauen wollte.» Mit dem Beginn seiner Lehre löste er sich etwas von der Familie: Systematisch erkundete er jeden Winkel der Waadtländer Alpen, allein oder mit Freunden, im Sommer wie im Winter. Willy hielt sich mit seiner Meinung nicht zurück: Als er sah, wo sie mit ihren halbbatzigen Verankerungen unterwegs waren, erteilte er seinem Sohn eine Lektion in Sachen Technik.

Fabien ist jemand, der niemandem etwas beweisen will, seine Handlungen, auch wenn sie riskant sind, blieben bis heute immer überlegt. «Melde dich, wenn du wieder unten bist», pflegten seine Eltern schon früher immer zu sagen. Der Tod am Berg? Eine Frage, die bei den Brands nie im Zentrum stand. «Ich habe immer darauf geachtet, dass Fabien auf seine Instinkte hört. Auch wenn das manchmal bedeutete, umzukehren», erinnert sich seine Mutter.

Seilschaft auf schmalem Grat

Mit den gesammelten Erfahrungen können Fabien und Willy nun ehrgeizigere Projekte in Angriff nehmen. In seiner frühen Jugend hatte Willy mit seinem damaligen Seilgefährten einige grossartige Touren unternehmen können. Doch nachdem beide Bergführer geworden waren, trennten sich ihre Wege. Mit verschränkten Armen und ruhiger Stimme sagt er: «Mein Hunger ist geblieben.»

Mit seinem Sohn kann er sich nun in neue Abenteuer stürzen, eines war die Begehung der Eiger-Nordwand. «Wenn man Bergsteiger ist, muss man so etwas tun, auch wenn man nicht weiss, ob man es lebend zurückschafft», sagt er. Mit dem Plan, die Wand in drei Tagen zu durchsteigen, brachen sie eines Morgens auf und kehrten nach gelungener Besteigung bereits am selben Tag gegen 19 Uhr wieder zum Zelt zurück. Willy kam damals kurz nach seinem Sohn an und erinnert sich an den Anblick: «Ich sah 20 Meter vor dem Zelt seinen Klettergurt mit der Seilreserve, fünf Meter davor lagen die Steigeisen und der Pickel. Und dann sah ich Fabiens Füsse, die aus dem Zelt schauten, er schlief tief und fest. Ein wunderschönes Bild!»

Aber es sind nicht nur diese legendären Routen, die sie inspirieren. Im Sommer eröffnen sie Routen in ganz altmodischer Art mit Bohrhaken und Keilen. Sie richten sie ein, wenn sie der Meinung sind, dass die Route es wert ist, mehrmals begangen zu werden. Im Winter suchen sie sich anspruchsvolle und manchmal neue Skirouten, hauptsächlich in den Waadtländer Alpen. Das Vergnügen steht immer an erster Stelle, sich damit zu brüsten, liegt ihnen nicht. «Stolz spielt bei uns keine Rolle», sagt Fabien. «Es ist grossartig, bei den beiden eine solche Komplizenschaft und ein solches Verständnis füreinander zu sehen», sagt Monique.

In Zukunft wird es Fabien sein, der den Vorstieg macht, aber der Geist des Miteinanderseins bleibt derselbe. Grund genug, andere Seilschaften zu inspirieren, auch solche mit bescheidenerem Kletterniveau.

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