Der Wolf ist in die Schweizer Alpen zurückgekehrt. Die Ankunft eines Unbekannten
Fauna e flora
Faune et flore
Die Ankunft eines Unbekannten
Der Wolf ist in die Schweizer Alpen zurückgekehrt
Erstmals vor über zehn Jahren nachgewiesen, besiedelt der Wolf heute bereits mehrere Bergkantone der Schweiz. Während vorab in urbanen Gebieten Freude über seine Rückkehr herrscht, sind in ländlichen Regionen die Vorbehalte gegenüber dem Raubtier immer noch gross. Das Problem: Wölfe töten Schafe. Es stellt sich die Frage, ob ein Zusammenleben mit dem Wolf überhaupt möglich ist. Und vor allem: Was bedeutet das für Berggänger?
Die Ersten sind 1995 im Val Ferret und Val d' Entremont ( VS ) aufgetaucht. Wölfe. Die Leute rieben sich ungläubig die Augen, hatte man doch diese Tiere See auf der Alpe Pontimia/VS: Hier ist 2002 die erste Wölfin der Schweiz eingewandert.
vor über 100 Jahren in der Schweiz ausgerottet. Kaum jemand rechnete damit, dass Wölfe zu uns zurückkehren, obwohl sie schon einige Jahre zuvor in den französischen Alpen auftauchten. Doch nun waren sie da – und man wusste wenig über sie. Eines aber war bald klar: Diese Wölfe töteten viele Schafe – fast 130 Stück im Jahr eins ihrer Rückkehr. Die Schafhalter sahen berechtigterweise rot, hatte sie doch niemand auf die Gefahr aufmerksam gemacht.
Rückeroberung der Alpen
Der Wolf war in der Schweiz vollständig ausgerottet – und fast wäre es auch in Italien um ihn geschehen gewesen. Doch ehe es so weit war, wurde der Wolf 1973 unter Schutz gestellt. Damals lebten noch gut 100 Exemplare im Land, alle im mittleren und südlichen Apennin. Mit dem neuen Schutz wuchs die Population wieder an und breitete sich im Apennin aus. Ende der 1980er-Jahre erreichten die ersten Wölfe die Südwestalpen. Es begann sich auch dort eine Population aufzubauen, und einige Wölfe wanderten in der Folge weiter nördlich. 1995 erreichten sie erstmals die Schweiz. Seither konnten bei uns 19 verschiedene Wölfe nachgewiesen werden, wovon alle italienischer Herkunft waren. Foto: David Gerke Foto: Monika Cisch Foto: Grün Stadt Zürich/W ildpark Langenber g Verhaltenshinweise bei Begegnun gen mit Wolf und Hirtenschutzhund Begegnungen mit einem WolfDistanzbeobachtungen ( >30 m ): kein besonderes VerhaltenNahbeobachtungen (
Gefährliches Wolfsleben
Viele Wölfe mussten nach der Einwanderung ihr Leben lassen. Ein Wolf starb am Simplonpass, als er unter einen Schneepflug geriet, ein weiterer wurde im Berner Oberland vom Zug überrollt. Vier Wölfe wurden mit Abschussbewilli-gungen erlegt, drei weitere wurden dabei bloss angeschossen und sind seither verschollen. Mindestens ein Wolf wurde gewildert, auf einen weiteren wurde illegal geschossen, er überlebte aber. Die Wölfe haben es schwer in der Schweiz. Dennoch leben sie bei uns, vermutlich sind es sogar mehr, als wir wissen. Einige bemerkte man mehrere Jahre lang gar nicht, und erst anhand von Gen-analysen wurde ihre Existenz festgestellt. Jahrtausende der Verfolgung in Europa haben sie enorm scheu gemacht.
Lebensraum vorhanden
Europäische Wölfe mussten bereits früh lernen, ihren Lebensraum mit Menschen zu teilen. Für sie ist es daher kein Problem, in Gebieten wie den Alpen zu leben, die vom Menschen genutzt werden. Zwei Dinge sind notwendig, damit sich der Wolf in einem Gebiet wohl Das Reh steht auf dem Speiseplan des Wolfs. Das Val Frisal gehört zum Revier des seit 2002 in der Surselva/ GR lebenden Wolfs.
Auch junge Gämsen werden von Wölfen erbeutet. Foto: David Schw eiz er Foto: Claude Mor er od fühlt: Er braucht Rückzugsgebiete, z.B. grosse Wälder oder felsige Hänge, und ein ausreichendes Nahrungsangebot. Beide Bedingungen sind in den Schweizer Alpen erfüllt. Rückzugsgebiete findet der Wolf beinahe überall, und die Populationen seiner bevorzugten Beutetiere – Hirsche, Gämsen, Rehe und Wildschweine – sind sehr gross. Der Wolf ist spezialisiert für die Jagd auf Huftiere. Doch genau hier liegt das Problem: Auch Schafe und Ziegen sind Huftiere. Besonders Schafe weiden im Schweizer Berggebiet häufig frei und ungeschützt. Da im Laufe der Domestikation ihre Fluchtinstinkte degeneriert sind, sind sie für den Wolf die einfachste Beute.
Gefährliches Schafsleben
Aus diesem Grund vergriffen sich viele der eingewanderten Wölfe an Schafherden und wurden abgeschossen. Damit die Schweiz ihre Verpflichtung, den Wolf zu schützen, durchsetzen kann, ist es notwendig, auch die gefährdeten Nutztiere zu schützen. Elektrozäune sind zwar eine Möglichkeit, in den Alpen wegen der Topografie jedoch kaum praktikabel. Denn hier weiden Schafe oft unbewacht in grossen, unübersichtlichen Gebieten. Eine Lösung, welche sich in den Bergen Italiens bewährt hat, ist der Einsatz von Hirten und Herden-schutzhunden. Der Hirt ist dafür verantwortlich, dass die Schafherde zusammenbleibt, da die Hunde nur so die ganze Herde beschützen können. Die Schutzhunde, in der Schweiz kommen meist die Rassen « Maremmano-Abruzzese » oder « Montagne des Pyrénées » zum Einsatz, gehen offensiv auf potenzielle Angreifer der Herde zu und vertreiben diese mit Gebell. Damit die Hunde die Schafherde verteidigen, werden sie mit Schafen so-zialisiert. Zu Kämpfen zwischen Herden-schutzhunden und Wölfen kommt es selten, da ein Wolf wegen eines Schafs kaum das Risiko eines Kampfes eingeht. Wolfsattacken auf Schafe geschehen normalerweise nachts oder bei dichtem Nebel. Deshalb müssen die Schafe nachts in einen Elektrozaun eingepfercht werden. Nachtpferche mit integrierten Herdenschutzhunden ermöglichen in der Regel einen effizienten Her-denschutz.
Wolf und Mensch
Der Wolf ist scheu und geht Menschen aus dem Weg. Angriffe auf Menschen gab es nur vereinzelt in Nordamerika und Osteuropa, jedoch noch nie in Italien oder Frankreich. Das Risiko eines Wolfsangriffs in der Schweiz ist faktisch nicht gegeben. Die meisten Berggänger werden noch nicht mal einen Wolf sehen. Vorsicht ist aber bei den Herden-schutzhunden geboten. Denn ein Mensch, welcher in eine Schafherde eindringt, kann als potenzieller Angreifer wahrgenommen werden. Im Kasten S. 23 finden Sie wichtige Verhaltenstipps. In Zukunft werden noch mehr Wölfe als bisher einwandern, und sämtliche Bergregionen der Schweiz werden mit ihnen Bekanntschaft machen. Denn der Wolf findet im Alpenraum und im Jura geeignete Lebensräume. Ob er sich dort niederlassen wird, hängt jedoch davon ab, ob wir ihn tolerieren. a David Gerke, Gruppe Wolf Schweiz Ein junger Wolf frisst von klein auf schon Fleisch.
Ein Herdenschutzhund wie dieser kommt in den Alpen in Wolfsgebieten zum Einsatz, um die Schafe zu beschützen. Greift ein Wolf die Herde an, stürmt der Hund bellend auf ihn zu und vertreibt so den Wolf.
Foto: David Gerke Foto: Grün Stadt Zürich/Wildpark Langenberg Foto: Daniel Mettler
Die Rückkehr des Raubtiers aus Sicht des Bafu-Experten