Der Piz Ravetsch
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Der Piz Ravetsch

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Mit Ausnahme des Badus haben die Berge, welche die Quellen des Rheines speisen^ sehr selten Besuche erhalten, auch heute noch, zu einer Zeit, da doch einsame und wenig besuchte Gebirgsgegenden von allen rechten Bergfreunden nachgerade sehr gesucht werden. Mit Unrecht aber haben die Berge zwischen Val Tavetsch und Val Piora diese Hintansetzung erdulden müssen; denn nicht nur bieten sie eine Fülle noch unbekannter Schönheiten und Merkwürdigkeiten, sondern sie sind auch von hochgelegenen Touristenstationen leicht und bequem zu erreichen, wie z.B. Val Piora ( 1835 m ), St. Maria ( 1842 m ), Oberalp ( 2034 " ).

Nur auf einen der vernachläßigten Gesellen möchte ich mit diesen Zeilen die Aufmerksamkeit richten, auf den Piz Ravetsch ( 3010 m ). Er kann sich wohl am meisten zurückgesetzt fühlen 2 ). Zwar ist er nirgends vom Thale aus als imponierender Stock sichtbar; sobald man aber in die Höhe steigt, so fällt er mit seiner vergletscherten Nordwestflanke sofort unter seinen Nebenbuhlern auf. Z. B. vom Bätzberg, Gütsch Badus, Piz Ner und Piz Portgera aus.

Von all diesen Punkten hatte ich ihn schon längst studiert. Allein Gelegenheit zu einer Besteigung bot sich erst Sonntags den 26. Mai 1895.

Mit meinem Waffen-Kameraden E. Zgraggen verließ ich etwas nach Mitternacht Andermatt. Als wir aber bei den Hütten „ Beim Stein " vorbeigingen, ging es uns, wie es vielen andern Clubisten in ähnlichen Fällen auch schon gegangen ist. Wir suchten alle Hütten ab, bis wir einen Bündel Heu gefunden, und schliefen noch ein wenig, natürlich nur ein Stündchen! Als wir uns aber zum Weitergehen anschickten, war 's 5 Uhr vorbei und ein herrlicher Tag angebrochen. Rasch waren wir im Vormigel, aber mittlerweile war es schon bedeutend heiß geworden und der Schnee, den wir auf der Portgeraalp zum erstenmal betraten, schon ganz durchweicht. Wie wir uns durch den tiefen Schnee über den Maigelsgletscher hinaufarbeiteten, will ich nicht erörternes kam uns selbst höchst ungemütlich vor.

Der Bergschrund war noch tief verschneit. Von diesem aus waren zwei Wege möglich. Wir standen direkt südlich vom Buchstaben „ su des Wortes Ravetsch. Mein Gefährte suchte den Grat zu gewinnen, indem er den untersten Felsen entlang ging bis zu einer Stelle, wo der Schnee bis fast zum Grat hinauf reichte. Leider folgte ich ihm nicht, sondern wählte ein steiles Couloir, das mit Schnee tief ausgekleidet war und direkt zum höchsten Gipfel führte. Allein der Schnee war in demselben so weich und tief, daß er oft bis an die Brust reichte, und zudem nahm die Steilheit nach oben so zu, daß ich bei weiterem Steigen unbedingt eine Lawine losgetreten hätte. Nachdem ich mich bis zum äußersten 7,abgehundetu, kehrte ich endlich um und folgte den Stapfen meines Begleiters* ), wo ich rasch vorwärts kam, der Grat bot keine Schwierigkeiten, obschon die Felsen noch verschneit waren.

Mit etwas spöttischer Miene empfing mich mein Gefährte auf dem Gipfel. Leider hatten sich unterdessen schon viele Höhennebel gebildet, besonders im Süden. Dennoch waren wir guter Dinge; denn die nähere Aussicht bot noch Schönes genug und übergenug. Besonders die wild zersägten Grate der Val Cornera und Val Nalps zogen unsere Aufmerksamkeit auf sich, auch von den übrigen Gipfeln der Gotthardgruppe fehlte sozusagen keiner bei der Heerschau. Im übrigen will ich mich kurz fassen und auf das prächtige Aquarell hinweisen, das Herr Max Stockei von Punkt 2875 des Ravetschgrates aufgenommen hat ( Jahrbuch S.A.C., Bd. XXVIII, pag. 354 ), und nur betonen, daß von unserem erhöhten Standpunkt alles noch großartiger erschien.

Beim Abstieg verfolgten wir den gleichen Weg bis zur großen Mittelmoräne. Dann stiegen wir aber weiter über den Gletscher hinab in die Val Maigels. Vergebens hatten wir uns auf ein schneidiges Abfahren gefreut, der Schnee war viel zu stark erweicht. Tapfer arbeiteten wir uns durch den ebenen Thalboden der Val Maigels hinaus. Aber auf dem Taltorso der Siarraseen hörte alle Gemütlichkeit auf, das war kein Schnee mehr, sondern ein Brei. Triefend vor Nässe bis über die Knie hinauf, erreichten wir bei den Hütten von Tgietlems endlich um 1k6 Uhr Ma'Ma den ersten aperen Boden. An den Gehängen des Pazzolastockes traversierend, erreichten wir die Oberalpstraße oberhalb der großen Kehren. Der Oberalpsee war noch mit Eis und Schnee bedeckt und auch die Straße noch nicht ganz frei. Wortlos zogen wir die Straße entlang, Nebel lagen schon auf allen Höhen und die Gegend war noch eine trostlose Öde. Müde von der langen Schneestampferei, zogen wir XU8 Uhr in Andermatt ein.

Leicht möchte einen Leser eine solche überaus strapaziöse Waterei nicht zur Wiederholung aufmuntern, allein ich kann ihn versichern, ich habe jene Gegenden auch in günstigem Zeiten gesehen und meine helle Freude an ihnen gehabt. Namentlich möchte ich auf folgende Traversierung des Gotthardgebirges aufmerksam machen, die sich leicht mit einer Besteigung des Piz Ravetsch verbinden läßt.

Entweder von Andermatt durchs Unteralpthal über den Maigelspaß zum Gipfel des Ravetsch oder von der Oberalp über die Siarraseen in die Val Maigels und auf den Gipfel; vom Gipfel Abstieg auf das Schneefeld zwischen Ravetsch und Piz Borel zu Punkt 2795, von dort zum Lago scuro, zwischen Punta nera und Taneda hinunter zum Lago Tom und Lago Ritom ( besonders vom Taneda hinunter eine unvergleichlich schöne Strecke ). Vom Lago Ritom in 2 Stunden zur Station Ambri-Piotta oder in 21k Stunden nach Airolo. Der ganze Marsch dürfte für einen mittleren Gänger etwa 14 Stunden in Anspruch nehmen: im Juli unternommen eine Tour, wie man sie schöner nicht denken kann 1 ).

Bob. Helbling ( Sektion Bachtel ).

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