Der Bergbau im Ferreratal
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Der Bergbau im Ferreratal

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Von Dr. A. Bähler ( Sektion Biel ).

Im alten Rätien, wie in Helvetien und Noricum, seinen Nachbarländern, wurde schon zur Zeit der Römer ein schwunghafter Bergbau, insbesondere auf Eisen, betrieben. Wenn auch von dieser bergmännischen Tätigkeit aus so ferner Zeit keine schriftlichen Beweise auf uns gekommen sind, so sprechen doch dafür eine Anzahl von Funden, die an verschiedenen Orten zu wiederholten Malen gemacht worden sind. Gewiß war die Talgabelung von Sargans in den Kriegen gegen die in Rätien einbrechenden Alemannen ein strategisch sehr wichtiger Punkt, und es scheint der Eisenbedarf, in Krieg und Frieden, für das nordwestliche Rätien hauptsächlich aus dem Gonzen gewonnen worden zu sein.

Nach Johannes v. Müller waren bereits im 11. Jahrhundert in Rätien Bergwerke im Gang, wie ebenfalls der Goldreichtum des Rhein-sandes den Alten nicht unbekannt geblieben war. Scheuchzer, unser berühmter Naturforscher, berichtet, er habe aus der Landschaft Schams vom Inspektor der dortigen Bergwerke im Jahre 1706 ein schönes Goldstüflein erhalten, welches bei Andeer aus dem Rheine gewaschen worden sei.

Die ersten urkundlichen Nachrichten über den Bergbau in Rätien finden wir um die Mitte des 11. Jahrhunderts im Einkünfterodel des Hochstiftes Chur; sie betreffen das Bergwerk im churrätischen Montafun, sowie dasjenige am Gonzen.

Im 14. Säkulum treten die engadinischen Bergwerke in die Geschichte ein, woselbst die Familie v. Planta den Bergbau auf Eisen, Blei, Kupfer, Silber, Gold, wie auf alle übrigen Erze, als erbliches Lehen vom Hochstifte Chur empfangen hatte.

Am meisten trug zur Förderung des Bergbaues in Churrätien unstreitig der Bischof Leonhard von Wyßmaier, kaiserlicher Rat und gewesener Kanzler des Herzogs Sigismund von Tirol, bei denn ihm war, bei Verwaltung genannter Grafschaft, die Wichtigkeit der Bergwerke, wie diejenigen zu Goßensaß und Schwatz, nicht entgangen, um so mehr als letzteres von wunderbarer Ergiebigkeit gewesen sein soll.

Es mögen die Märchen von den Bergmännlein im Munde des Volkes wohl zum größten Teile aus jener Zeit stammen. Überall spukten die klugen Zwerge mit ihren Schätzen und unerforschlichen Zugängen in der Tiefe der Schächte.

Zu erwähnen ist noch, daß in der Mitte des 14. Jahrhunderts die Silbergruben am Mittelrhein und im Medelsertal, sowie am Silberberg in Davos ausgebeutet wurden, wie sich denn überhaupt von dieser Zeit an der Bergbau systematisch über das ganze Gebiet des Hinter- und Vorderrheins verbreitete.

Daß die Bergwerke im Bündner Oberland, namentlich um Truns, bei Ruis und Waltensburg, sowie bei Obersaxen, schon im 15. Jahrhundert in Betrieb waren, erhellt aus einer ausführlichen Bergordnung für die Herrschaft St. Jörgenberg. Solche Bergordnungen, welche Pflichten und Rechte der dabei in Frage kommenden Konzessionäre, sowie der betreffenden Talschaften in ausführlicher Weise behandeln, sind ein Beweis der Wichtigkeit der Bergindustrie in damaliger Zeit, welcher von der maßgebenden Obrigkeit die vollste Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Wir greifen aus der Geschichte des bündnerischen Bergbaues, wie sie uns Placidus Plattner in einer vortrefflichen Arbeit überliefert hat, hier vor allem die Bergwerke heraus, wie sie in der Landschaft Schams früher und bis vor kurzer Zeit ausgebeutet worden sind. Die älteste Nachricht hierüber gibt uns F. v. Sprecher, welcher meldet, es gebe im Schams und Ferreratal äußerst reiche Kupfer-, Silber- und Eisenminen, deren Erze in Andeer verschmolzen wurden; ebenso soll schon damals das Bergwerk im Ferreratal, oberhalb Andeer, ziemlich ergiebig gewesen sein. Scheuchzer gibt darüber folgende Kunde:

„ Diesmalen ( 1706 ) werden noch die Gruben im Schamsertal, oberhalb Andeer, ausgebeutet, nicht aber mit solchem Glück wie zu Anfang des verwichenen Jahrhunderts, im Bestände der Herren Holzhall und Nüscheler aus Zürich. Diese waren so glücklich, daß sie alle 14 Tage ein Stück Silber gegossen, so schwer, daß der stärkste Mann daran genug zu tragen hatte; die Kosten bezahlten sie aus dem gewonnenen Blei und Kupfer. Die Gänge in den Gruben waren so reich, daß die Knappen, wenn sie am Abend aus der Grube gegangen und ein Feuer angezündet, am Morgen ein ziemlich Stück reingegossen Silber darin fanden. Sie teilten aber den Armen große Almosen aus, und je mehr sie gaben, desto reichern Segen genossen sie im Bergwerk. "

Eigentümer jener Gruben waren im 17. Jahrhundert die durch ihren Reichtum noch heute sprichwörtlich gebliebenen Franchi de Vertemate von Plurs, welche ebenfalls das Bergwerk „ zur goldenen Sonne " am Calanda auf Gold ausbeuten ließen. Man wird daher kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß der Reichtum der de Vertemate aus jener Epoche herstammt; besaßen sie ja schon 1618 nicht weniger denn 7 Silberbergwerke.

Um dieselbe Zeit wurde aber im Ferreratal, außer Silber und Blei, bereits Eisen gewonnen, dessen Erze von großer Ergiebigkeit waren und eine vorzügliche Qualität lieferten. Im Jahre 1770 bildete sich eine Gesellschaft aus den ersten Familien des Schamsertales, welche damit begann, den Bergbau im ganzen Ferreratal, sowohl auf Eisen als Silber, Kupfer und Blei, an die Hand zu nehmen; doch wie es scheint nicht mit Erfolg, da sich das ganze Unternehmen wegen Ausbleibens des pekuniären Erfolges bereits nach einigen Jahren auflöste.

Wenn auch die Geschichte des bündnerischen Bergbaues bis zu Ende des 18. Jahrhunderts nicht ausschließlich auf Erfolge hinweist, so mag gleichwohl, infolge der billigen Arbeitslöhne und Holzpreise, sowie der hohen Metallwerte, vielerorts ordentlich Geld verdient worden sein.

Am Anfang des 19. Jahrhunderts regte sich der schlummernde bergmännische Unternehmungsgeist aufs neue. Als Urheber der Wiederaufnahme der bündnerischen Bergindustrie, jedoch nicht als Bergbau-kundige, sondern als durch Krieg und Revolution in ihren Vermögensverhältnissen zurückgebrachte Talleute, finden wir neben andern, die durch fabelhafte, abergläubische Überlieferungen zum Goldsuchen verleitet worden sind, vorab den alt Landammami Peter Demenga von Misox, der in Ilanz die letzte ihm gebliebene Filiale seines früher weitverzweigten Handelshauses betrieb. Dieser gründete im Jahre 1804 in Tiefenkasten eine Gewerkschaft, die später Schloß und Herrschaft Reichenau an sich brachte und unter dem Namen „ Reichenauer Berg-baugesellschaft " bekannt geworden ist, und die ihre Arbeiten teils im Oberland, teils in der Landschaft Schams betreiben ließ. Bei Obersaxen wurden nicht nur Eisenerze, sondern auch silberhaltiges Kupferkies ausgebeutet, ebenso hinter Ruis, in dem Tobel, das sich gegen den Panixerpaß hinaufzieht; nicht zu vergessen die Gruben bei Waltensburg und Andest, deren silberreiche Fahl- und Buntkupfererze, sowie Bleiglanz ungewöhnlichen Erfolg versprachen.

Der Bergbau im Ferreratal.

Inner-Ferrera, rom. Canicul, im Ferreratal. Phot. M. ß. ( Biel ).

Alle diese bergmännischen Arbeiten wurden ohne die richtigen Fachkenntnisse unternommen, und es ist daher kaum zu verwundern, wenn diese Versuche im Oberland von einem völligen Mißerfolg begleitet waren. Im Jahre 1826 gingen die dortigen Bergwerke an eine französische Gesellschaft über, die in Truns einen Hochofen errichtete; doch geriet Anfang der Vierzigerjahre auch diese Gesellschaft in Konkurs. Immerhin fanden 1845 gleichwohl noch Leute den Mut, auf der Alp Punteglias, ob Truns, einen alten Kupfererzstollen ausbeuten zu lassen,aber wiederum ohne klingenden Erfolg.

Nur im Schams, sowie im Ferreratal, rentierten die Arbeiten einigermaßen. Die Landschaft Schams zedierte, als Inhaberin sämtlicher auf ihrem Gebiete vorfindlicher Mineralien und Erze, das Betriebsrecht auf diese Minen an eine französische Gesellschaft, welche die betreffende Konzession im Jahre 1865 an eine große englische Vereinigung abtrat, die unter der Firma „ Val Sassam Mines C° " heute noch im Besitze -derselben ist, aber den Betrieb seit 1872 eingestellt hat. So ruhen leider die Arbeiten in diesem interessanten, weltverlorenen Hochalpen-tale nach einigen in letzter Zeit neuerdings vorgenommenen Schürfver-suchen nun gänzlich. Da infolge der Konkurrenz die Metallpreise sehr gesunken sind, zog man es vor, das ganze Unternehmen bis zum Eintritte besserer Zeiten einzustellen. Um indessen einen Begriff von der zeitweiligen Rentabilität des Bergbaues im Ferreratale zu geben, erwähnen wir aus einem Bericht von Präsident Fravi in Andeer vom Jahr 1872, daß eine Anzahl Arbeiter, die einen Minengang in Akkord übernommen, Jahrbuch des Schweizer Alpenclub. 41. Jahrg.

Dr. A. Bähler.

TagfürTagjederl9Fr. verdiente. Es steht auch heute außerZweif el, daßr insofern das Projekt der Splügenbahn verwirklicht wird, auch dieses Unternehmen neue BiU-ten treiben werde.

Die Kupfer-, sowie die silberhaltigen Bleierze der Gruben auf der Alp Ursera im Ferreratal befinden sich zirka 400 m. über dem Talwasser auf der linken, westlichen Seite. Sie waren durch eine, für die damalige Zeit schon sehenswerte, schwebende Seilbahn mit der Schmelzhütte in Ana grande in Verbindung. Die links oben, zwi- schen Außer- und Iimer-Ferrera, im sogenannten Fianell, sowie rechts oben gegenüber dem Eingangins Val Emet gelegenen Eisengruben stunden bis 1845 im Betriebe einer italienischen Gesellschaft, die dank der damaligen Waldwirtschaft und der anerkannt vorzüglichen Qualität der Erze eine seltene Rentabilität erzielte. Im Besitze einer Konzession, wonach ein Stamm Lärchen- oder Tannenholz nicht mehr als 3—4 Rappen kostete, und mehrerer Gruben, deren Erze 50—60% Eisen lieferten, verlegte sich genannte Gesellschaft darauf, die ihr zu Gebote stehenden Mittel und Vorteile nach Kräften auszunützen, und zog nach abgelaufener Konzession mit gespickten Taschen von dannen. Dem Tale blieb das Nachsehen, sowie ringsumher an den steilen Felshängen heute noch kaum vernarbte Kahlschläge, da es sich leicht denken läßt, in welchem Maße der jungfräuliche Gebirgsurwald dem feuerlohenden Hochofen zum Opfer fallen mußte. Wer auf dem neuen Sträßchen von Außer- nach Inner-Ferrera wandert, erblickt auf dem linken Ufer des Averserrheines die noch ganz erheblichen, ja großartigen Überreste der Bergwerksgebäulichkeiten. Der heute verfallene Hochofen und das Pochwerk in Ana grande waren noch bis zum Jahre 1868 in Betrieb, und es wurde, nach den noch jetzt umherliegenden, zum Teil recht hübsch oxydierten Erzen zu urteilen, Kupfer verschmolzen. Während einiger Zeit wurden die Erze sogar nach England und Belgien exportiert. Wie verlautet, gehört die Unternehmung noch immer jener englischen Gesellschaft, und es ist in letzter Zeit neuerdings der Versuch gemacht worden, die verschiedenen Gruben in Betrieb zu setzen; ob mit Erfolg, wird die Zukunft lehren.

Der Wanderer auf der Splügenstraße zwischen Andeer und der Rofnaschlucht kann kaum ahnen, was für ein Juwel von Hochgebirgstal und Ursprünglichkeit sich linker Hand im dunkeln Tannengrün des Urswaldes verbirgt. Seitdem das neue Sträßchen, bei den Kehren oberhalb der Bärenburg, das Ferreratal und das weiter oben gelegene als Luftkurort aufstrebende Avers dem Verkehr erschlossen hat, wäre zu hoffen, daß auch das alte Bergwerk zu Ana grande aus seinem Dornröschenschlaf erwache. Mag wohl aus diesen Ruinen, die dem Landschaftsbilde eine so stimmungsvolle Staffage verleihen, noch einmal neues Leben erblühen? Wohl kaum. Das abgelegene Tal, wo, nebenbei gesagt, eine bemerkenswerte Therme von 19 °C. Wärme, die im Starleratobel entspringt, noch immer der Verwertung harrt, spricht mit seinen vielen Ruinen bergmännischer Vergangenheit eine stumme, aber um so deutlichere Sprache.

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