Beobachtungen zur Entstehung der Rundhöcker
Von Hans Carol
Mit 7 Bildern ( 77-83 ) und 3 Skizzen.Carol ( Oberengstringen, Zürich ).
Nicht nur dem vielzitierten « aufmerksamen Alpenwanderer », sondern auch dem « Nurbergsteiger » werden die Felsformen der Rundhöcker vertraut sein. Dem einen mehr die elliptischen Felsbuckel am Grunde der Alpentäler, die wie riesige Walfischrücken einer neben dem andern liegen, deren Länge von etwa 5 bis 50 m und deren Höhe von ca. 1 bis 5 m variieren kann. Oft sind sie langgezogen, oft eher rundlich, oft flach und manchmal steil aus der Umgebung herauswachsend. Vom Scheitelpunkt aus sind sie talaufwärts sanft geneigt und fallen steil talwärts ab. Meist ist ihre Oberfläche rauh verwittert, oft aber lassen sich ganze Scharen von parallelen Schrammen er- BEOBACHTUNGEN ZUR ENTSTEHUNG DER RUNDHÖCKER.
- kennen, die keinen Zweifel aufkommen lassen: es muss sich hiebei um Felsformen handeln, die vom Gletschereis überfahren worden sind. Aber nicht nur Schliff spuren, sondern auch kleine Gletschermühlen, Rinnen, die nur vom Wasser erzeugt word e e. sein können, lassen sich erkennen und geben uns einen weiteren Hinweis auf -die Kräfte, welche an der Form gearbeitet hatten. Und endlich als Drittes vermag auch das Gestein durch sein Material, seine Lagerung, Schichtung und Klüftung seinen Charakter zu äussern: der Rundbuckel kann schief stehen oder hat einen höckerigen Rücken.
Die Rundhöcker sind gesellige Formen. Wie eine riesige Herde nehmen sie ganze Talabschnitte ein, so dass man mit Recht von Rundhöckerfluren spricht. Die typischsten finden sich wohl im unteren Trienttal und bei Andeer, aber auch sonst trifft man sie beinahe in jedem Hochalpental, dessen Felsboden nicht im Schutte vergraben ist ( Abb. 1 ).
Der « Nurbergsteiger ì wird diese Schnörkel am Landschaftsbild wenig beachten, er kennt die überschliffenen und gebuckelten Gehänge hoch über den heutigen Gletschern besser, muss er sie doch in gewundenen Pfaden, oft mit kleinen Klettereien gespickt, durchsteigen, um zu seinen Zacken und Gräten, zu den eigentlich lohnenden Gipfelpartien, vorzustossen. Wer kennt sie nicht, die in der grossen Form so eintönigen, im Detail aber so reich gegliederten Gehänge an der Grimsel, am Gotthard — oder im Sustengebiet! Hier sind die Rundbuckel noch deutlicher als in den Talgründen, nur auf den Stoßseiten des Gletschers, den Luvseiten, gerundet, während die Leeseiten rauh gebrochen oder nur wenig überschliffen erscheinen. De Saussure nannte sie bezeichnenderweise « Roches Moutonnées », denn tatsächlich drängt sich bei ihrem Anblick, besonders im Gegenlichte, der Vergleich mit einer Herde weidender Schafe auf.
Diese Formen, die der Landschaft eine so gesteigerte Eigenart verleihen, zu sehen, und zu erkennen, durch welche Vorgänge sie entstehen konnten, soll das Ziel dieses Aufsatzes sein. Wissenschafter urd Bergsteiger haben sich darüber Gedanken gemacht. Von den zahllosen Erklärungsmöglichkeiten, die wohl schon ausgeheckt worden sind, sind einige wenige veröffentlicht worden und stellen die heutigen Rundhöckertheorien dar: ein Dutzend, zwei Dutzend mögen es sein. Erklärte sie Hugi vor hundert Jahren noch als Endprodukt der Verwitterung von « Bauchgranit », so sind sämtliche übrigen Ansichten darin einig, dass die Anwesenheit eines Gletschers zu ihrer Entstehung notwendig ist. Da sich ihre Bildung offenbar unter dem Eise vollzieht und damit nicht direkt beobachtbar ist, sind die Deutungsmöglichkeiten beinahe unbeschränkt. Eine Gruppe von Forschern spricht dem Gletscher eine auswählende Erosion zu, die weichere Felspartien ausräume und härtere stehen lasse, wodurch im Endeffekt eine rundbuckelige Landschaft entstehe. Andere nehmen an, das Eis habe Unebenheiten im Felsuntergrunde, welche schon vor der Vergletscherung existierten, zum Teil niedergeschliffen, sei dann aber mitten in der sehr langsam vor sich gehenden Arbeit durch den Gletscherrückzug an der vollständigen Abschleifung verhindert worden. Dritte schreiben die Rundhöckerformen der stark erodierenden Wirkung der subglazialen Schmelzwasser zu, die durch die Gletscherbewegung, bald hier- BEOBACHTUNGEN ZUR ENTSTEHUNG DER RUNDHÖCKER.
durch, bald dortdurch gelenkt, ein unregelmässiges System von Rinnen schaffen würden, deren Erhabenheiten dann durch das fliessende Eis zu den Rundhöckern umgestaltet würden. O. Flückiger sieht in der wellenförmigen Anordnung der Felsformen ein Abbild einer wellenförmigen Bewegung der Eisteilchen. Auf die Bedeutung der sehr wahr- scheinlich unregelmässig und verschieden mächtig verteilten Grundmoräne für die verschieden kräftige Schleifwirkung des Gletschers wurde neuerdings hingewiesen.
All diesen mehr oder weniger zutreffenden Erklärungsversuchen fehlt die Möglichkeit der Verifizierung; es scheint nun schlechterdings undenkbar, den Gletscher bei seiner Arbeit auf dem Grunde zu belauschen, direkte Beobachtungen über den Erosionsvorgang zu machen, wie das etwa bei der Flusserosion möglich ist. Aus demselben Grunde gibt es auch heute noch keine allgemein anerkannte Erklärung über das Fliessen des Gletschers, welche wiederum eine Voraussetzung für die restlose Deutung der glazialen Erosion und damit auch der Deutung unserer Rundhöcker ist.
Ist eine direkte Beobachtung wirklich ausgeschlossen? Nein! Es gibt Stellen am Rande des Gletschers, die ein ziemlich tiefes Eindringen unter das Eis erlauben. Solche Örtlichkeiten habe ich am oberen und unteren Grindelwaldgletscher aufgestöbert und eingehend im Sommer und Winter 1941 und im Frühling und Sommer 1942 durchforschtx ). Suchen wir die interessanteste Stelle auf. Wir queren den oberen Grindelwaldgletscher vom Milchbachloch aus auf der vielbegangenen Wetterhornroute, folgen dem rechten Gletscherufer etwa 100 m aufwärts und stehen unvermittelt vor einer grossen Kerbe zwischen den steilFig. 2einfallenden Felswänden links und BEOBACHTUNGEN ZUR ENTSTEHUNG DER RLNDHÖCKER.
dem senkrecht abfallenden Gletscherrande rechts. Siehe Abb. 2. Dieser « kerbenförmigen Gletscherrandkluft », wie ich sie nenne, sind drei weitere Hohlräume angegliedert, eine « taschenförmige Gletscherrandkluft » bei a Abb. 2; eine « höhlenförmige Gletscherrandkluft » bei b Abb. 2 und eine ähnliche Form bei d Abb. 3. ( Auf Abb. 3, welche von b von Abb. 2 aus aufgenommen wurde, sieht man den hintersten Teil der Kerbenrandkluft. ) Durch eine niedrige Öffnung ( bei b Abb. 2 ) dringen wir, mit einer Daimon-stablampe grössten Kalibers ausgerüstet, auf dem Felsboden vor, hinein in eine grosse Halle, die von einem niedrigen Eisdach überspannt ist. Dann geht 's durch eine wahre « Scala diabolo » teils auf den Knien, teils auf dem Bauche kriechend, hinunter, um in einem grösseren Räume 100 m vom Eingange entfernt das Ende der subglazialen Höhle zu erreichen. All die Merkwürdigkeiten auf unserer ungewohnten subglazialen Wanderung wollen wir hier übergehen und uns einer 30 m langen Seitenhöhle zuwenden, die in ihrer Abgeschlossenheit von der Aussenwelt ( wir befinden uns 20 m unter der Eisoberfläche und 16 m vom Gletscherrande entfernt ) wie geschaffen ist für Beobachtungen und Messungen. Die Temperaturen schwanken hier täglich jahraus jahrein von + yz° bisC, so dass der Fels teils von Schmelzwasser, teils von Wassereis überzogen ist. Abb. 4, mit Blitzlicht aufgenommen, zeigt uns ein Detail dieses nur 30 bis 70 cm breiten und 5 m hohen Raumes zwischen Eis und Fels. Wir blicken in der Richtung des fliessenden Eises, das in zwei mächtigen Schichten, deren Trennungsfläche wir in der Mitte links deutlich erkennen, übereinanderlagert und mit 15 Grad Neigung auf den Felsen auftrifft. Rechts sehen wir den über und über geschrammten und geschliffenen Malmkalk, in welchen das Eis eine ebenmässige vertikale Kehlung geschmirgelt hat. Ein 70 cm breites Gesimse, die « Messbank », das in der Fliessrichtung langsam ansteigt, gliedert die sonst steil einfallende Felsfläche. Auf diesem Absatz liegt der zum Vergleich 20 cm ausgezogene Metallmeter; man sieht auch etliche Eis- und Gesteinstrümmer. Fig. 1 zeigt einen Querschnitt, Fig. 2 einen Längsschnitt durch diese Stelle.
Wie ist es möglich, dass hier, wo dem Eis doch ungemessene Zeit zur Verfügung stand, den weichen Fels nach seinen Fliessgesetzen zu bearbeiten, dieses ansteigende Felsgesimse, dem Eisstrom ein Hindernis, nicht abradiert worden ist? Sollte sich die Ansicht jener bestätigen, die dem Gletscher nur ein unbedeutendes Abschleifen vorexistenter Unebenheiten zutrauen? Sollten die Rundhöcker wirklich nur überarbeitete Reste früherer Felshöcker sein? Oder sollte vielleicht die Geschwindigkeit der bodennahen Eisschicht durch die Reibung so stark gebremst werden, dass ihr ein lokal vermindertes Erosionsvermögen zukäme?
Messungen mit der « Gletscheruhr » der schweizerischen Gletscherkommission machten diese Vermutung wahrscheinlich, wiesen aber zugleich einen neuen Weg zum Verständnis der glazialen Erosion. Mehrere Messungen mit dem Kryozynemeter ergaben, vom Felsgesimse 3 m gletscheraufwärts gemessen, die für Rand Verhältnisse erstaunlich grosse Geschwindigkeit von 36,8 cm pro Tag. Eine zweite Messung 15 cm über dem Gesime zeigte tat-
Rundhöckerflur bei Andeer
Roches moutonnées dans la région d' Andeer 77/78/79 - Fotos H. Carol, Oberengstringen Die kerbenförmige GletscherrandkluftDer hinterste Teil der Kerbenrandkluft Distanz von a—c ca. 160 mDie Mächtigkeit der Eismassen beträgt 40 m Crevasse marginale entre la glace et le rocher,La partie arrière de cette même crevasse, en forme d' encocheépaisseur de la glace 40 m Art. Institut Oretl Füssli A. G. Zürich 6210 BRB 3. 10. 39 Die Alpen - 1943 - Les Alpes Plastisches Eis Die ausgequetschte Schicht I auf dem Felsgesimse. Metallmeter 20 cm ausgezogen.
Blitzlichtaufnahme Glace plastique. Couche I broyée contar ;: le bord rocheux ( le mètre métallique est ouvert de 20 cm.
Instantané au magnésium )
Starres Eis. Zerbrochener Eiswulst
BHtzlichtaufnahme Glace rigide. Bourrelet de glace brisée. ( Instantané au magnésium ) 80/81 « 12/83 - Fotos H. Carol, Oberengstringen
Blick gegen das rauh gebrochene Lee
eines Rundhöckers. Fliessrichtung gegen uns. Metallmeter 20 cm ausgezogen. Blitzlichtaufnahme Vue sur le côté abrité d' une roche moutonnée ( le mètre métallique est ouvert de 20 cm. Instantané au magnésium ). La direction du courant glaciaire vient contre l' observateur Halbrundhöcker im Kristallin mit gerundeter Stosseite und gebrochener Leeseite, wie er eben vom Gletscher freigegeben worden ist. Man beachte die Gesteinsklüftung Demie-roche cristalline, tel qu'il apparaît après le retrait de la glace. Le côté exposé à la pression du glacier est arrondi. Le côté opposé à la pression est brisé.
Art. Institut Orell Füssli A. G. Zürich 6210 BEB 3. 10. 39 Die Alpen - 1943 - Les Alpes sächlich eine verminderte tägliche Bewegung von nur mehr 25,8 cm, wogegen die Eisteilchen 6 cm unter der Trennungsfläche von Schicht I und II mit einer Rekordgeschwindigkeit von nicht weniger als 71,8 cm pro Tag davon-flossen! Diese Zahlen bedeuten nichts anderes, als dass durch den ansteigenden Fels als Widerlager, durch den Vertikaldruck von 20 m überlagerndem Eis und vor allem durch die kinetische Energie der bewegten Gletschermasse die unterste Schicht plastisch verformt, ausgewalzt wurde. Bei Vervollständigung dieser Messungen müsste sich ein Bewegungsdiagramm ergeben wie Fig. 2 zeigt.
Neben diesen indirekten Beobachtungen liess sich die plastische Phase auch direkt verfolgen. Abgeschlagene Eisstücke waren weniger splitterig, eher « käsig », als die nur 1,5 m weiter oben aus derselben Schicht gebrochenen. Die Ausbruchstelle wurde sofort nass; man sah deutlich in feinen Eiskapillaren zirkulierendes Wasser, das durch Luftbläschen sichtbar gemacht wurde. Ja, ich beobachtete sogar, wie ein feiner Wasserstrahl mit Luftbläschen gemischt mit zischendem Geräusch 5 cm horizontal hinausgepresst wurde. Aus dem starren Gletschereis, das noch 1,5 m weiter oben keine der erwähnten Eigenschaften zeigte, wurde ein plastisches Eis-Wasser-Gemisch: ein direkter Beweis für die Richtigkeit der Regelationstheorie, nach welcher beim Über-fliessen eines Hindernisses druckverflüssigtes Wasser auftreten müsse, das nach der Entlastung im Lee wiedergefrieren und hiebei Frostsprengungen im Fels erzeugen könne.
Zeigte diese Stelle den « plastischen Körper Eis », so demonstriert uns Abb. 5 den « starren Körper Eis ». 25 m weiter unten aufgenommen hat unsere Schicht I ein völlig verändertes Aussehen. Aus der plastischen Masse hat sich dieser merkwürdige Eiswulst gebildet. Jetzt, da er nicht unter Druck steht, ist es nicht mehr imstande, die leiseste Verbiegung des Felsgrundes plastisch mitzumachen, so dass der Wulst in einzelne Tranchen zerbricht. ( Der Felsboden ist ganz links noch sichtbar. ) Als weiteren Hinweis für die unplastische Deformation des Eises mögen die zahlreichen Geräusche genannt sein, vom scharfen Knall bis zum langandauernden Ächzen.
Aber nicht nur hier, sondern überall in diesen Randklüften kann man die Wirkung der antagonistischen Eigenschaften des Eises erkennen: plastische Phase durch Staudruckverflüssigung — starre Phase unter normalen Druckverhältnissen. Ein Beispiel möge noch angeführt werden: Abb. 6, eine Blitzlichtaufnahme, wurde im Winter in der hinteren höhlenförmigen Gletscherrandkluft ( 50 m unter der Eisoberfläche ), deren Einstieg sich bei a, Abb. 3, befindet, aufgenommen. Als Maßstab dient wieder der 20 cm ausgezogene Metallmeter. Wir blicken diesmal gegen die Fliessrichtung, sehen also das Lee eines umflossenen Felshindernisses, das rauh gebrochen erscheint und keinerlei Schliffspuren aufweist. Das Eis, das diesmal stark mit Grundmoränenmaterial durchsetzt ist, verlässt ebenso fein profiliert das « Walzwerk » wie glühendes Eisen. Während sich aber Eisen auch in kaltem Zustand starke Deformationen gefallen lässt, ist das Eis schon nach wenigen Zentimeter Distanz vom Walzprofil derart starr, dass durch die leisesten Formveränderungen Risse auftreten ( a Abb. 6 ).
Die Alpen - 1943 - Les Alpes.15 BEOBACHTUNGEN ZUR ENTSTEHUNG DER RUNDHÖCKER.
Diese verschiedenen Eigenschaften des Gletschereises müssen einen starken Einfluss ausüben auf die Bearbeitung des Felsbodens. Schmiegt sich das plastische Eis der Stoßseite von Felsunebenheiten vollständig an, so behält es auf der Leeseite das ihm von der Felsform aufgezwungene Profil auf längere Strecke bei.
In den dadurch gebildeten Hohlräumen ( Abb. 6, 7 ) finden sich keine Schrammen, der Fels ist eckig gebrochen, der Schichtung und Klüftung genau folgend. Unsere Vermutung tippt auf kräftige Spalte nfrostwirkung. In der Tat sind die Verhältnisse im Lee des Rundbuckels ideal für das Auftreten der Frostsprengung. Druck verflüssigtes Wasser auf der Stoßseite des Felses kann durch feine Haarspalten und gröbere Klüfte in den Felsen eindringen. Auf der druckentlasteten Leeseite regeliert das unterkühlte Druckschmelzwasser und vermag bei zahlreichen Wiederholungen dieses Vorganges das Gestein zu zerrütten und einzelne Teile abzusprengen. In der hier besonders hervorgehobenen vorderen höhlenförmigen Randkluft fand ich neben andern einen Kalkblock von 100 bis 150 kg Gewicht, dessen Ausbruchsstelle 30 m entfernt sich einwandfrei wiederfinden liess. Die beobachteten Temperaturen in nahezu von der Aussenwelt abgeschlossenen Randklüften zeigten im Sommer wie im Winter sehr kleine Schwankungen um den Nullpunkt. Sank im Sommer trotz erhöhter Aussentemperatur allnächtlich die Temperatur unter den Gefrierpunkt, so dass am Morgen feine Wassereisbildungen wahrgenommen werden konnten, so beobachtete ich im Winter bei kalter Aussenluft selbst in 50 m Tiefe unter der Gletscheroberfläche infolge der Erdwärme teils weich durchnässte, teils gefrorene Grundmoräne dem Felsen aufliegend.
Wie soll aber der Gletscher auf der Stoßseite, wo er eng am Felsen anliegt, bei seiner Arbeit belauscht werden? Von den zahlreichen Örtlichkeiten, die mir bekannt sind, bietet einzig die Messbank Gelegenheit, diese Frage experimentell zu lösen. Leider war im Juli 1942 der Klufteingang geschlossen, als ich mit einem provisorisch konstruierten Instrument, bei welchem ein Stahlbolzen durch Federspannung in das Eis eingedrückt wird, das Problem durch ein untrügliches Experiment zu lösen versuchte. Es hätte sich ergeben, dass der Bolzen — eine Nachahmung eines Steins — im starren Eis weniger schnell eingedrungen wäre als im plastischen Eis. Einige physikalische Überlegungen, deren Fundierung ich mündlichen Mitteilungen von Herrn Dr. Haefeli, Chef der Abteilung für Erdbau an der E. T. H. Zürich, verdanke, müssen uns über die Beobachtungslücke hinweg helfen.
Denken wir uns einen etwa faustgrossen Stein im Eise eingefroren, der über den parallel zur Fliessrichtung verlaufenden Gletscherboden bewegt wird ( Fig. 3 ). In diesem starren Eis, wo Korn an Korn zusammengefroren ist, wird er einseitig durch den Normaldruck ( N ) der überlagernden Eismassen auf die Unterlage gepresst, wobei er nach eigenen Beobachtungen bis 4 mm tiefe und 20 mm breite Schrammen zu erzeugen vermag.
Sobald dieser selbe Stein aber in den Fliessbereich vor einem Felshindernis gerät, wird er vom jetzt schmiegsamen Eiskorn-Wassergemisch umflossen. Hier ist das Eis an den Grenzflächen der Gletscherkörner durch den gewaltigen Staudruck verflüssigt. Der Druck wird jetzt nicht mehr allein BEOBACHTUNGEN ZUR ENTSTEHUNG DER RUNDHÖCKER.
von Korn zu Korn übertragen, sondern auch der die Eisstruktur durchsetzenden Flüssigkeit mitgeteilt. Jetzt befindet sich unser Stein unter allseitig wirkendem, hydrostatischem Druck ( d ), « schwebt », drastisch ausgedrückt, im Eise. Nur noch ein relativ geringer Normaldruck ( n ) presst ihn auf den Felsen, wodurch seine Schrammung vermindert ist. Wenn am Fusse des Rundbuckels sozusagen mit kräftiger Faust geschrammt wird, wird an den Vorsprüngen nur mehr mit leichter Hand geschliffen. Diese differenzierte Erosionsleistung präpariert alle Felsunebenheiten, seien sie nun präglazial, durch Ausbrüche oder durch Schmelzwasser geschaffen, bis zu einem gewissen Grade heraus, zu den im Luv sanft ansteigenden und im Lee abrupt abbrechenden Rundhöckerformen.
Rundhöcker, bei denen auch das Lee überschliffen ist, habe ich noch nie beobachtet. Die Bildung derartiger, vollausgebildeter Felsformen würde eine grosse Plastizität des Eisfusses und daher eine mehrere hundert Meter mächtige Eisüberlagerung verlangen. Sozusagen « embryonal » werden wohl solche « Vollrundhöcker » am Grunde der tiefsten Gletscher auch heute noch entstehen; sobald aber das Jahrhundert ihrer Geburt naht, wird vermöge des abnehmenden Vertikaldruckes nur mehr die Stoßseite überschliffen. Sie wandeln sich zur endgültigen Gestalt der « Halbrundhöcker ».
Wenn sich gelegentlich, wie z.B. bei Andeer, trotzdem — von weitem betrachtet — allseitig gerundete Höcker finden, so handelt es sich bei schein-
:f/s:
N N'R'Vn Im starren Eis, Schrammung: Normaldruck der überlagernden Eismasse auf den schleifenden Stein. Gegendruck der Felsunterlage. Reibungswiderstand ( Stein-Fels ). Kraft, um R zu überwinden. Normale Gleitgeschwindigkeit.
Im Fliessbereich, Schliff: d = hydrostatischer Druck auf die Flächeneinheit.
n — relativ geringer Normaldruck. nGegendruck der Felsunterlage, r = Reibungswiderstand ( Stein-Fels). rKraft, um r zu überwinden. Vu = verminderte Gleitgeschwindigkeit.
bar gerundeter Leeseite ausnahmslos um Ausbrüche längs Kluftflächen, welche durch ihren Verlauf eine solche Formgebung begünstigen ( Abb. 1 ). Gleich daneben, wo lokal eine steiler einfallende Kluftfläche vorherrscht, findet sich auch hier der typische Ausbruch wieder.
Literatur.
O. Flückiger: Glaziale Felsformen. Petermanns Mitteilungen, Ergänzungsheft Nr. 218, Gotha 1934.
R. Streiff: Über Firn und Gletscher. « Alpen », September 1940.
A. Holl: Gletscherwärmewirtschaft. « Alpen », August 1937.
W. Flaig: Das Gletscherbuch. Zwei ausgezeichnete Abbildungen von Rundhöckern S. 32 und S. 123.