Bauen über der Baumgrenze 20 Jahre Hüttenbau
70 Bauprojekte in 20 Jahren, das ist die stolze Bilanz einer Dokumentation über den Hüttenbau des SAC. Diese beleuchtet architektonische Unterschiede und stellt interessante Vergleiche bezüglich Baukosten und Hüttengrösse an.
Seit dem Jahr 2000 wurde gut ein Drittel aller SAC-Hütten umgebaut, renoviert oder gar neu gebaut. Ganz genau wurde in den knapp 20 Jahren bei 57 von den insgesamt 153 SAC-Hütten ein Bauprojekt realisiert. Und noch eine Zahl zum Staunen: Gekostet hat das alles rund 110 Millionen Franken. Ulrich Delang, Ressortleiter Hütten und Infrastruktur beim SAC, hat mit seinem Team die Bautätigkeit der letzten 20 Jahre dokumentiert. Zusammen mit den Projekten, die vor der Ausführung stehen, umfasst die Dokumentation SAC Hüttenbau 2000–2020 70 Bauvorhaben. Die Bestandsaufnahme erlaubt es ihm, eine Art Bilanz über die letzten 20 Jahre zu ziehen. Zumal auch Kennwerte wie Baukosten, Anzahl Schlafplätze, Quadratmeter, Kubikmeter, Kosten pro Schlafplatz oder Kosten pro Kubikmeter erhoben wurden.
Umbau pro Bett wird immer teurer
Eine grobe, generelle Aussage könnte lauten: Bauen über der Baumgrenze wird immer teurer, die Hütten werden grösser, und die Ansprüche steigen. Ob der Hüttenbau tatsächlich immer teurer wird, ist allerdings nicht ganz eindeutig. Die durchschnittlichen Baukosten pro Hütte sind über die Jahre konstant geblieben. Deutlicher ist es bei den Kosten pro Schlafplatz: «Im Vergleich zur Zeitperiode 2000–2004 sind die Baukosten 15 Jahre später um 27% gestiegen», heisst es in der Dokumentation. Klar gestiegen sind zudem der Quadratmeter- und der Kubikmeterbedarf pro Schlafplatz. Die Steigerung des Flächenbedarfs pro Schlafplatz seit 2000 liegt bei 16%, diejenige des Volumenbedarfs bei 21%. Dafür verantwortlich seien die höheren Komfortansprüche und die strengeren gesetzlichen Vorschriften. «Massenlager mit 20 Betten weichen Vier- bis Zwölfbettzimmern, sodass im Idealfall geschlafen statt nur übernachtet werden kann», sagt Ulrich Delang.
In der Regel bleibt die Anzahl der Schlafplätze gleich. Daran angeglichen werden aber wenn nötig die Essplätze im Aufenthaltsraum, sodass Abendessen in zwei Schichten der Vergangenheit angehört. Zudem werden die Küchen und die sanitären Anlagen verbessert. Und es braucht Fluchtwege. Diese Entwicklung führt dazu, dass die Hütten grösser werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Einteilung nach vier Typen des Hüttenbaus: Neubau, Erweiterung mit integrierendem Ansatz, Erweiterung mit kontrastierendem Ansatz und Umbau ohne Volumenerweiterung. Am häufigsten ist die Erweiterung mit kontrastierendem oder integrierendem Ansatz. Das heisst, entweder hebt sich der Anbau in Form und Material ganz deutlich vom bestehenden Bau ab, oder man versucht, so anzubauen, dass man es kaum sieht: «Die Volumenerweiterung richtet sich nach der bestehenden Hütte, Grund- und Dachform werden übernommen und in der Länge, Breite oder Höhe ergänzt», schreibt Ulrich Delang. Ein elegantes Beispiel dafür ist die Binntalhütte SAC, eine der vier Hütten, die im letzten Jahr umgebaut wurden (siehe Bilder). Das Dach wurde um eineinhalb Meter angehoben, was Betreibern und Gästen mehr Platz bringt. Von aussen ist der Umbau aber kaum erkennbar, weil die Natursteinfassade einfach ergänzt wurde.
Wer im Hochgebirge baut, trägt Verantwortung
Gerade die teuren herkömmlichen Bruchsteinfassaden sind oft der Grund, dass man sich am Ende für einen kontrastierenden Ansatz entscheidet. Die kubischen Erweiterungsbauten aus Metall und Holz sind nicht nur ein Hingucker, sondern auch einfacher realisierbar. «Vorfabrizierte orthogonale Holzelemente lassen sich hochfliegen und vor Ort während der kurzen schneefreien Jahreszeit montieren.» Dennoch liegen die durchschnittlichen Baukosten pro Schlafplatz beim kontrastierenden Anbauen höher als beim integrierenden Ansatz (siehe Grafik).
«Trotz aller Rechnerei ist es für uns am wichtigsten, dass die realisierten Projekte die beste Antwort auf die spezifischen Herausforderungen eines jeden Hüttenstandortes sind», sagt Ulrich Delang. Die Baukosten seien nur ein Faktor unter vielen. «Gute, nachhaltige Lösungen fernab von Ver- und Entsorgungsnetzen sind selten die günstigsten. Als im Hochgebirge bauender Verband tragen wir eine grosse Verantwortung. Gerade deshalb führen wir in der Regel Architekturwettbewerbe durch, um aus einer breiten Palette von Vorschlägen das beste Projekt zu realisieren.»
Es ist nie fertig gebaut
Weil der Platzbedarf praktisch in allen Fällen steigt, werden Hütten nur selten innerhalb der bestehenden Aussenwände umgebaut und saniert. Kommt dies trotzdem vor, ist damit in der Regel eine Reduktion der Schlafplätze verbunden. Gleich zwei von nur fünf Hütten, die seit 2000 so umgebaut wurden, gehen nach Umbauarbeiten im letzten Sommer nun neu in Betrieb: die Capanna Cadlimo CAS und die Hüfihütte SAC. Kommt es – ebenfalls nicht sehr häufig – zu einem Neubau einer Hütte, ist die Grundform meist einfach, kubisch und kompakt, und die Raumeinheiten sind auf drei Geschosse verteilt. Ein typisches Beispiel dafür ist die Capanna Cristallina CAS, die 2003 fertiggestellt wurde.
Wer jetzt denkt, es gäbe wegen der intensiven Bautätigkeit in den letzten 20 Jahren in nächster Zeit bei den SAC-Hütten nichts mehr zu bauen, liegt falsch. Weitere zehn Projekte stehen vor der Ausführung und werden gegen 23 Millionen Franken kosten. Und irgendwann werden auch Neubauten oder umgebaute Hütten wieder eine Erneuerung brauchen. «Alle 30 bis 50 Jahre müssen sämtliche 153 SAC-Hütten erneuert werden, das sind jährlich drei bis fünf Bauvorhaben», sagt Ulrich Delang. So kommt die Cadlimo-Hütte in der Dokumentation SAC Hüttenbau 2000–2020 gleich zweimal vor: 2001 wurde ein Anbau fertiggestellt, im letzten Sommer wurde saniert und umgebaut.