Aufstellung, Beleuchtung und Restaurierung des Reliefs
Kleine, leichte Schulmodelle, Typenreliefs und auch die nicht weiter ausgearbeiteten Treppen-stufenreliefs, alle diejenigen, die vorwiegend dem Unterricht dienen, bedürfen normalerweise weder einer schützenden Glasvitrine noch eines besonderen Aufstellungskorpus. Man wird sie in einem Schrank aufbewahren und bei Bedarf auf einen Tisch stellen, so dass sie von allen Seiten mit Augen und Fingern « beguckt » werden können.
Nicht so einfach ist der Umgang mit grossen, schweren, feinstausgearbeiteten Modellen, besonders solchen, die aus mehreren Blöcken zusammengefügt sind. Meist sind es Schaustücke in Museumshallen oder anderen öffentlich zugänglichen Räumen. Sie sind infolge ihrer Dimensionen und der schlechten Transportierbarkeit in der Regel an einen festen Standort gebunden. Hierbei sind Standortwahl und Ausstattung von grosser Bedeutung.
Ein Alpinist oder sonst ein Götterfreund, der bei trübem, schwerbewölktem Himmel vor einer Felswand steht, sieht nur eine formlose, graue Mauer. Brechen aber Sonnenstrahlen schräg von einer Seite her in die Wand, so enthüllt sich mit einem Schlag eine herrlich plastische Formenwelt. So verhält es sich auch beim topographischen Bergmodell und ähnlich bekanntlich bei anderen Bildhauerwerken. Künstler, Architekten, Museumsleiter und andere Kunstkenner wis- sen ihre marmornen Lieblinge, ihre Aphroditen, ins « rechte Licht » zu rücken. Es ist ein Jammer, dass manche anderen Leute diesbezüglich mit Blindheit geschlagen sind. Warum aber soll der schönste Berg der Welt, das Matterhorn, schlechter behandelt werden als eine versteinerte griechische Göttin? Bergreliefs, vor allem solche in grossen Massstäben und von monumentalem Aspekt, sollen nicht in einen Raum mit allseitig diffusem Licht, mit Oberlicht oder gar ins Halbdunkel gestellt werden, so wie es jahrelang in der graudü-stern Halle des Zürcher Hauptbahnhofs mit Simons Berner Oberland geschehen war. Das Licht soll von einer Seite her, schräg von oben in die Knitterungen der Felsflanken fallen, sei es Fensterlicht ( Tageslicht ) oder einseitiges künstliches Schräglicht. Will man zu guter Beleuchtung oder Ausleuchtung mehrere Lampen einsetzen, so sollen diese möglichst dicht beisammenstehen; denn sonst erscheinen am Modell alle Schatten und besonders die Schattenränder diffus aufgelöst, wodurch der plastische Eindruck ausserordentlich geschwächt wird.
Für flache, breit vor uns liegende Modelle ausgedehnter Landesteile mögen solche Gesichtspunkte von untergeordneter Bedeutung sein. Entscheidender für den Eindruck ist dann meist die Bemalung.
Grossmodelle benötigen zur Aufstellung in der Regel einen besonderen Korpus. Die geeignete Höhe seiner Auflegefläche ist manchmal umstritten. Im Zweifelsfall wähle man normale Tischhöhe. Sehr grosse, weitflächige, relativ flache Modelle sollen von allen Seiten her leicht überblickbar sein. Es empfiehlt sich daher, sie etwas niedriger als normale Tischhöhe zu stellen. Monumentale Reliefs in grossen Massstäben, solche mit hochragenden Gipfeln, stelle man etwas höher als auf Tischplattenhöhe. Das Auf und Ab eines Kammes, die Silhouette, präsentiert sich bei fron-talem, eher etwas aufwärts gerichtetem Blick eindrucksvoller als im Blick steil von oben herab.
Eine weitere Frage: Soll ein Bergmodell durch eine Glasvitrine geschützt werden? Ja oder nein?
I5I Für kleine, nicht permanent aufgestellte Schulmodelle wäre dies sinnlos und störend. Nicht nur der Blinde soll den Berg abtasten können, auch jeder Schüler soll seine Nase an ihm eindrücken.
Grossmodelle jedoch, Hauptobjekte in Museen, solche von bemerkenswerter Qualität oder besonderer historischer Bedeutung, Modelle mit dauernd feststehendem Standort, sollen wenn möglich durch ein Glasgehäuse vor Staub, vor Putzfrauen, vor den Fingern und Stöcken der Besucher geschützt werden. Man bedenke: Gips ist weder Marmor noch Granit. Gips ist ein nicht sehr hartes, ein brüchiges, leicht verletzbares Material. Es geschah eines Tages, dass ein dummer Junge sich auf die Brunnialp eines Abgusses des Windgällenmodelles setzte. Prompt brach der ganze Alpboden ein, katastrophaler als beim stärksten Erdbeben! Während der Landesausstellung 1939 in Zürich sah ich, wie ehrenwerte Bergsteiger mit ihren Stöcken an der Windgällenwand herumstocherten, um dem Publikum alpinistische Heldentaten zu demonstrieren. In stark besuchten Räumen ist die durch Menschen verursachte « Kulturerosion » imstande, den schönsten Reliefberg im Zeitraum von höchstens zwanzig Jahren in einen unansehnlichen, grauen, abgestumpften Klumpen zu verwandeln.
Leider sind schützende Glasvitrinen recht kostspielig, und sie erleichtern die Betrachtung unserer Schützlinge nicht, trotzdem sollte für wertvolle Objekte nicht auf sie verzichtet werden.
Die erforderliche Wartung, Entstaubung und Reinigung der Modell-Oberflächen geschehe äusserst behutsam. Man betupft die zu reinigenden Teile mit leicht angefeuchteter Watte oder mit einem Naturschwamm, vermeidet aber hartes Reiben. Widerstandsfähiger als die Bemalung mit Wasserfarbe ist diejenige mit Ölfarben. Man reinigt sie durch sorgfältiges Waschen mit einem Schwamm und evtl. einer leichten Schmierseifelösung.
Besonders behutsam gehe man vor bei Restaurie-rungsarbeiten. Ein Wiederherstellen defekter Stellen, abgebrochener Zacken und Bergspitzen überlasse man nicht irgendeinem Gipser- oder Malergehilfen oder der höheren Tochter des Gymnasiums, sondern einem bewährten, erfahrenen Modellbauer und guten Kenner von Berg-, Fels- und Gletscherformen.
Manches einst gute Berg- und Gebirgsmodell ist im Laufe der Jahre durch ungenaue, zu dick aufgetragene, zu dunkle Übermalung verdorben worden. Auch Nebensächliches wird beim Malen zur Hauptsache, so zum Beispiel das Abgrenzen in Form und Farbe zwischen Firn und Geröll, das Gestalten von Firnschnee-Reststücken in Felsrinnen, unter Wänden, an Schuttkegeln. Ein leicht-fertiges Nichtbeachten selbst solch kleinster Dinge beeinträchtigt Naturähnlichkeit und Schönheit eines Bergmodelles entscheidend.
Das Modellieren guter Berg- und Gebirgsreliefs ist wenig einträglich, ist eine recht aufwendige, äusserste Präzision und viel Ausdauer erfordernde Tätigkeit. Es ist aber andererseits ein schöpferi-sches, ein höchst beglückendes Unternehmen. Nichts führt uns so nahe heran an alle Eigenarten und Schönheiten alpiner Formenwelt, wie solches Nachgestalten. Ohne Liebe, ohne Arbeit, ohne Aufopferung kann nichts Gutes gelingen.