Alpiner Wandschmuck
Von den modernen Bestrebungen für künstlerischen Wandschmuck profitiert auch derjenige, welcher in seinem Heim gerne eine Erinnerung an alpine Wanderungen oder ein gutes Bild der Alpenlandschaft vor Augen hat. Denn in heutiger Zeit sind die Alpen ein Kulturelement geworden sogar für den, der weit von ihnen wohnt. Es zieht den Stadt-und Tieflandbewohner zu ihnen hin, bei ihnen holt er sich körperlich und geistig neue Kraft, und wohnt er gar näher, so sind sie ihm eine zweite Heimat, die er aufsucht, so oft er nur kann. Und wie gern möchte er etwas von der Gletschereinsamkeit, etwas von der stummen Pracht des Hochgebirges mitnehmen in seine Stube hinunter. Er probiert vielleicht, mit dem Photographieapparat eine Stimmung zu erhaschen, seltener schon bedient er sich des zeichnenden Stiftes, und noch wenigeren ist es beschieden, mit dem Pinsel die Gebirgslandschaft festzuhalten und zugleich ein Teil des eigenen Ich hineinzuweben. Und alle andern, die solches weder können noch mögen, sind auf die Werke dieser Aktiven angewiesen und leisten sich je nach Geschmack und Finanzen eine Photographie oder ein Staffeleibild. Diese beiden Arten alpiner Landschaftsdarstellung sind leider Extreme. Das eine rein mechanischer Art und vor allem der zarten Farbentöne entbehrend, das andere von höchstem Stimmungsgehalt, der Reflex der Landschaft in einer menschlichen Seele, aber dafür nur zweien dienend, dem, der es gemalt hat, und dem, der es zu erwerben vermag. Und in dem Maße, wie das Photographieren Allgemeingut wird, sehnt sich der verfeinerte Mensch nach dem Persönlichen, wo die Natur durch Auge und Hand eines begabten Mitmenschen zu ihm spricht.
Da ist es denn für viele eine wahre Wohltat, daß, angeregt durch rührige Unternehmer, die Künstler sich daran gemacht haben, ihre Werke direkt auf den lithographischen Stein zu fixieren. So entsteht ein Bild, das Künstleroriginal ist und zugleich außerordentlich billig vervielfältigt werden kann. Wir erhalten damit Stimmungen, die keine Photographie festzuhalten vermag, weil sie in der Farbe liegen, dann eine Verstärkung des uns Auffallenden, das in jenen Verfahren so oft nicht zur Wiedergabe kommt; im Gegensatz dazu ein Zurücktretenlassen des Nebensächlichen, das die photographische Platte uns mit gleicher Treue und Wichtigkeit herpflanzt wie die Hauptsache, kurzum eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten, eine Popularisierung des Staffeleibildes.
Dem Teubnerschen Verlag, der mit diesen Künstlersteinzeichnungen eine neue Bahn eröffnet hat, ist es gelungen, in gleicher Weise gute Künstler, wie geschmackvolle und interessante Darstellungen sich zu sichern. Und auch die Alpen haben ihren Anteil davon. Bekannt sind die beiden Bilder aus den Dolomiten, das eine mehr eine Morgenstimmung aus der Ferne, das andere den Trotz der Felstürme wiedergebend. In neuerer Zeit sind wieder zwei Stücke alpiner Natur erschienen, von denen uns das eine ganz besonders gelungen erscheint: Der Gletscher, von Frane Hoch, München ( Nr. 49 der Teubnerschen Serie ). Leblos und kalt, noch im Morgenschatten, liegt vor uns ein mit Moränenschutt bedecktes Gletscherende, wo das Eis blau durchschimmert, während im Hintergrund der stolze Gipfel schon im Tageslichte strahlt. Wie wahr, wie objektiv richtig ist dieser Gletscher gemalt, und doch ist es der Lindwurm, der mit Tatzen und Krallen hinabreicht ins Tal, ein Bild mit einem Stimmungsgehalt sondergleichen. Kaum irgendwann tritt es klarer hervor, was die Photographie nicht zu geben vermag, als in diesem Bild, das doch mit seinem Braun und Blau und Weiß die Einfachheit selber ist, dazu das große Format ( 100X70 cm .), das die Wirkung wesentlich erhöht, der richtige Wandschmuck für das Zimmer oder den Salon des Hochtouristen. Das andere Bild ( Nr. 54 ), von Karl Liner, einem Schweizer, zeigt als Motiv ein Bergheimet, dem Stickrahmen nach im Appenzell, hoch über dem sonnigen, leuchtenden Voralpental, mit einem Schneegipfel ( Säntis ?) im Hintergrunde. Der alte Bauer dengelt die Sense, während der Senne mit Frau und Kind und Rechen eben auf die Hütte zukommt. Also eine alpine Idylle, die manchen ansprechen wird, dem Hochgebirgs: gletscher zu kalt und zu einsam vorkommen; dies Bild hier ist der Wandschmuck für den Paßwanderer und Sommerfrischler.
Dr. E, Zeller.