Alfred Heinrich Pellegrini 1881-1958
VON MARGARETE PFISTER-BURKHALTER, BASEL
Unter den Malern der Generation um 1880, die lange Zeit die gute Basler Schule repräsentierten, hat in den letzten Jahren der Tod mächtig geräumt. Auf Numa Donzé ( j 1952 ), den kernigen Jurassier, folgten fast gleichzeitig Paul Basilius Barth und Johann Jakob Lüscher1955 ). Die Reihe beschloss am 5. August 1958 Alfred Heinrich Pellegrini. Er hat wie kein anderer seines Jahrzehnts Basels Kunst den Stempel aufgeprägt, weniger durch ein « Schulemachen » als dadurch, dass er sich besonders vielseitig, als Zeichner, Graphiker und Maler, zu äussern vermochte und wegen seiner monumentalen Gesinnung mehr als die andern mit Grossaufgaben bedacht wurde.
Als Sohn und Bruder eines Bildhauers war er seines Berufs zum Künstler gewiss. So begann denn auch er als Bildhauer in der Werkstatt des älteren Bruders, entschloss sich aber zum Maler und hatte das Glück, als erstem Lehrer einer Persönlichkeit von Format zu begegnen. An der Basler Gewerbeschule unterrichtete damals Fritz Schider. Vielleicht empfahl dieser ihm zur Weiterbildung die Münchener Akademie, die Pellegrini als Schüler des Gabriel von Hackl ( geb. 1843 ) 1899 bezog. Nach zweijährigen Studien wandte er sich 1902 nach Genf und erwarb sich seinen Lebensunterhalt während vier Jahren als Buchillustrator und Plakatmaler. 1905 wurde er Preisträger der « Concours Calarne ». Vor allem aber lernte er Ferdinand Hodler kennen, was für seine Kunstauffassung nicht wirkungslos blieb.
Als er 1907 nach Stuttgart übersiedelte, setzte er zunächst seine graphische Tätigkeit fort, trat aber das Jahr darauf in den Kreis um Adolf Hölzel ( 1853-1934 ), fühlte sich neu angeregt und zum Lernen und Malen gedrängt. Bei diesem genialen Lehrer und in der Freundschaft mit dem wenig älteren, gleichgesinnten Landsmann Hans Brühlmann ( 1878-1911 ), entfaltete Pellegrini jenen grossflächigen, streng bauenden Stil, der seine Linie, seine Raumgestaltung und Farbe, sein Bildnis, seine Landschaft und vor allem andern sein Wandbild kennzeichnet. Indessen führte ihn sein Wille zur Vereinfachung der Form, der Verzicht auf grössere Tiefenwirkung, das Besinnen auf das Wesentliche und nur auf dieses, nie bis zur völligen Abstraktion, wie gelegentlich seinen Lehrer oder den Stab des Dessauer Bauhauses.
Sein Landschaftsbild zum Beispiel, in dem die Bergwelt einen breiten Raum einnimmt, versagt sich zufällige Details bewusst, bestrebt, eine Örtlichkeit im Wesen zu erfassen, sehr oft auch zu steigern, besonders wenn sie zur Folie für vordergründige Gestalten wurde, dekorativer Stimmungsträger eines figürlichen Inhalts. Dies geschah aber stets aus einem warmen Verhältnis zur Natur heraus, hinter dem das Erlebnis stand. Doch suchte er nicht, den reinen Augeneindruck wiederzugeben, sondern zum Sinn-Bild vorzudringen.
Damit wird schon angedeutet, dass sich bewusst und gewollt ein gedanklicher Vorgang zwischen das optische Erfassen und die Wiedergabe schob. Da dieses denkerische, herbe und strenge Erwägen sein ganzes Werk bestimmt, trägt dieses eine einheitliche, ganz eigene und - schöpferisch -unnachahmliche Note.
Seine Liebe zur Natur wurde neu genährt durch Wandern, Reisen, Jagen und teils selbst getätigten, teils als Zuschauer leidenschaftlich verfolgten Sport. Sein Interesse für den bewegten, trainierten Körper machte es möglich, dass im Februar 1959 eine « Gedächtnisausstellung: Alfred Heinrich Pellegrini, Sportbilder » im Schweizerischen Turn- und Sportmuseum zu Basel veranstaltet werden konnte. Die Übung, flüchtige Eindrücke schnell zu erfassen, kamen dem Künstler auch auf vielen Reisen zugute, zumal in Ländern mit anderen atmosphärischen Verhältnissen. Mit unglaublich reicher Beute kehrte er 1924 aus Schweden und Lappland heim.
Von Hölzel zu einer neuen Farbenlehre geführt, folgte Pellegrini seiner eigenen Neigung zu vorzugsweise kühlen Tönen, oft sogar im Stilleben, in dem er ein wundervoll differenzierter und begnadeter Meister war. In seinem Landschaftsbild triumphiert das Erlebnis des Frühlings, des Herbstes und in reichem Masse das des Winters. Dieser Neigung verdanken die vielen Bergbilder aus dem Engadin und dem Berner Oberland nicht zuletzt ihre überzeugende Kraft. Menschlich aber bleibt es aufschlussreich, dass die Liebe zum vollen Sommer zu keiner Zeit seines Schaffens nach Ausdruck verlangte.
Die gleiche Reduktion und zugleich Steigerung wie der Landschaft kam auch dem Bildnis zuteil. Um so einprägsamer wurde es, wo das Naturvorbild schon grosse Züge bot, wie etwa bei den porträtierten Musikern und Dichtern.
Ein innerstes Anliegen blieb für Pellegrini seit seiner Stuttgarter Zeit das Wandbild. Dort hatte er sich al fresco zum ersten Male erprobt. Bevor er sich 1919 dauernd in Basel ansiedelte, nach einem längeren Aufenthalt in München, einem kürzeren in Berlin und verschiedenen Auslandsreisen, fiel ihm in einem Wettbewerb, 1915, der Auftrag zu, die Fassade der Schlachtkapelle von St. Jakob an der Birs mit zwei Bildern zu schmücken. In dem 1917 beendeten Werk beschränkte er die Historie auf allerwenigste fern wirkende Gestalten und bannte ihre Tat oder ihr Erleiden in einzelne sinnenfällige Gebärden, die im Bildbau fest verankert, unverrückbar wirken. Die kühle Tonigkeit der Wandmalerei entsprach ihm ganz und gar. Es scheint, dass im Grunde der Schmuck der Wandfläche das Ziel seines Schaffens war, an dem er seinen Stil bildete und aus monumentaler Vorstellung heraus jeder künstlerischen Äusserung übertrug.
Obwohl Pellegrini schon in Stuttgart und Umgebung auch auf Widerstände gestossen war - sein 1913 gemalter Narziss in der Nische des Brunnenhauses des von Theodor Fischer neuerbauten Kunstgebäudes wurde heimlich zerstört, und gegen seine Deckengemälde im Künstlerbundlokal richtete sich 1913 die Künstlerschaft -, drang er bald erfolgreich durch, namentlich in der Schweiz und vorab in seiner Heimatstadt. In der Folge häuften sich die Grossaufträge, begonnen mit seiner « Neuen Zeit » von 1919 - anlässlich einer Ausstellung für das Treppenhaus der Basler Kunsthalle ausgeführt -, den Fresken in der Schalterhalle des Bahnhofs zu Thun von 1922, dem Merkur-Fresko von 1922/23 an der 1939 niedergerissenen Börse, zu den Wandbildern im Strafgerichtssaal von 1924 und 1949, der Komposition in der Eingangshalle der Peterskirche, 1925/26, den Entwürfen mit den fünf Weltteilen zu den Gobelins für den Dampfer « Bremen » des Norddeutschen Lloyd, 1929, der « Waldarbeit » von 1930 für die Avenue du bois der Schweizerischen Wohnungsausstellung und den beiden Fassaden der Bayerischen Bierhalle in Basel, 1933 und 1935, um nur die wichtigsten zu nennen. 1939/41 entstanden sein « Apoll und die Musen » am Stadtkasino und « die Genesenden » der Öffentlichen Krankenkasse, 1942 « die Berufung » im Gartenkabinett des ehemaligen Würtem-bergerhofes am Kunstmuseum, 1945/47 die Wandmalerei im Bürgerspital.
Als letzte Bewährung im grossen Format sei das Wandbild von 1952 in der Alpina Reederei, Basel, erwähnt. Für sein « Freskoverfahren » wählte Pellegrini meist die wetterbeständige, unserem Klima angepasste Keimfarbe.
Bekannt wurde er ferner durch seine Buchillustrationen und seine gewandte Feder. Auf das öffentliche Kunstleben übte er merkbaren Einfluss, auch als Mitglied verschiedener Kommissionen.
Basel ehrte den alternden Künstler, 1949, mit dem Kunstpreis, den Toten, 1958, durch eine Gedächtnisausstellung in der Kunsthalle.Verschiedene Monographien über ihn erschienen noch mit seiner Beihilfe schon zu Lebzeiten, die letzte, von Peter Meyer, Zürich, unmittelbar nach seinem Tode.
Noch steht sein Atelier an der Bäumleingasse wie unberührt. Von seiner Staffelei blickt das letzte Selbstbildnis, als kehrte der Maler eines Tages zurück, die letzte Hand daran zu legen.
Aus dem letzten Jahr rührt auch die lebensvolle Bleistiftskizze her, die hier als Bildprobe beigegeben wird. Sie zeigt das Wetterhorn, aus der Umgebung von Grindelwald gesehen, und charakterisiert die Intention des « späten » Pellegrini beim Erfassen des ersten Eindrucks auf das beste: den kraftvollen, zackigen Strich, der dem Felsen gerecht wird, die hellen oder getönten Flächen der Schneemassen, zart umgrenzt von beweglichem, eingefühltem Kontur, und in leichter Andeutung darüber Nebelschwaden, vom Lichte angestrahlt, die den Kerl von einem Berg vom Hintergrunde lösen und den Landschaftsausschnitt zum gültigen Bilde runden. Dieser Ausschnitt ist nicht x-be-liebig, sondern er bietet ein Stückchen Weltall - und dies verrät die Meisterhand.