Alfr. Steinitzer: Geschichtliche und kulturgeschichtliche Wanderungen durch Tirol und Vorarlberg
Wagnersche Universitätsbuchhandlung. Innsbruck 1905. Preis geb. Mk. 5.
Das mit über 100 Voll- und Textbildern illustrierte Buch des bekannten Alpinisten ist die Frucht mehr als 20jähriger Wanderungen im schönen Land Tirol. Der Verfasser hat denn auch die Form der Wanderung beibehalten, abgesehen von dem einleitenden Kapitel, das einen Abriß der Geschichte Tirols und einen solchen der Geschichte Vorarlbergs gibt, und bespricht so: das Unter-Inntal und seine Nachbarschaft; Innsbruck und Umgebung; über Scharnitz und Fernpaß in das Inntal; die Brennerstraße und ihre Nachbarschaft; von Franzensfeste nach Bozen; Bozen und Umgebung; über den Jaufen durch das Passeier nach Meran; von Innsbruck zum Arlberg; von Landeck nach Meran; Meran und das Etschtal bis Bozen; von Bozen durch das Etschtal zur Grenze; das Pustertal und die nördlichen Nebfcntäler; die Täler der Dolomiten; das Suganatal; die Toiialestraße; Judicarien und der Gardasee; von Bregenz zum Arlberg; die Nachbartäler der Arlbergbahn; der Bregenzerwald. Der Verfasser erklärt selbst im Vorwort, daß diese Wanderskizzen einem persönlichen Bedürfnisse entsprangen und keinen Anspruch auf auch nur annähernde Vollständigkeit erheben können. Sein Zweck ist, denjenigen, welchen die Fachliteratur nicht zu Gebote steht, einen „ Führer " zu liefern, in welchem sie ohne Mühe und mit wenig Umständen das allgemein Wissenswerte über Gegend und Ort erfahren. Diesen Zweck hat das Buch auch, meiner Meinung nach, vollständig erreicht. Es liest sich sehr leicht und angenehm, und man bekommt, obschon durch die Anordnung des geschichtlichen und kunstgeschichtlichen Stoffes nach Routen das zeitlich und räumlich Zusammengehörende oft auseinander gerissen wird, dennoch ein klares Bild, indem die nicht zu vermeidenden Wiederholungen das Gesagte besser einprägen und an geeigneter Stelle ergänzende Abschnitte eingeschoben sind. Bei den engen Beziehungen zwischen Graubünden ( inklusive Veltlin ) und Tirol ist es nicht zu verwundern, wenn uns bündnerische Geschlechter in diesen Blättern öfters begegnen. Ich will daraus nur eine Notiz hier mitteilen ( pag. 287 ): „ Dem Bündner Bernhard Paravicini de Capellis schlug die Luft von Meran so gut an, daß er sich auf Schloß Rundeck im 82. Jahre zum viertenmal verehelichte, und zwar gebar ihm seine Frau in einer 22jährigen Ehe noch sieben Kinder. Das letzte kam erst einen Monat nach dem Tode des 104 Jahre zählenden Vaters zur Welt. " Über die Beziehungen zwischen Prättigau und Montafun, Unterengadin und dem Tirol hätte der Verfasser ausführlicher sein können; immerhin ist das Nötigste gesagt. Von Bergfahrten, Schutzhütten und andern alpinen Sachen ist, der auf anderes gerichteten Absicht des Autors entsprechend, nur ganz gelegentlich die Rede. Eine solche Notiz wenigstens will ich zum Schluß noch hervorheben ( pag. 156 ): „ Die Sektion Frankfurt ist durch das von Brixen ausgehende Verbot an die Führer, Sonntags keine Tour anzutreten, bevor sie die Frühmesse gehört haben, veranlaßt worden, bei ihrem Unter-kunftshause im Gepatsch eine Kapelle zu erbauen, an der Sonntags in aller Frühe Messe gelesen wird.u Man muß sich nur zu helfen wissen!
Redakion.
Dr. Ernst Jenny: Die Alpendichtung der deutschen Schweiz.B.ern, Gustav Grünau.
Der literarhistorische Versuch des Herrn Jenny ist dem Schweizer Alpenclub gewidmet, und es werden demselben auf pag. 167—168 in Beziehung auf seine literarische Tätigkeit im Jahrbuch beherzigenswerte Ratschläge erteilt. Es geziemt sich daher, daß wir darauf näher eintreten, wie der Verfasser sich seiner Aufgabe entledigt hat. Dabei kann ich nun im allgemeinen meine Zufriedenheit mit der Arbeit und meine Zustimmung zu den geäußerten literarischen Urteilen bezeugen. Es war entschieden verdienstlich, als Ergänzung der touristischen und historischen Erforschung unserer Alpen auch eine Würdigung der alpinen Kunstdichtung zu geben, über welche eine zusammenfassende Darstellung bisher nicht vorlag. Und die Gelegenheit dazu ist jetzt günstig, wo es literarische Mode geworden ist, die Motive von Romanen, Novellen, epischen und lyrischen Gedichten und Dramen den Bergen und ihren Bewohnern zu entnehmen, und wo unsere begabtesten Schriftsteller sich diesen Themen mit Eifer und Erfolg, auch beim kaufenden Publikum, zugewendet haben. Aber schon seit längerer Zeit haben sich schweizerische Schriftsteller, wie man leicht begreift, mit den Alpen belletristisch beschäftigt, und Dr. Jenny hat deren eine ganze Reihe zum Teil wenig bekannter namhaft gemacht. Er beginnt mit Rebmann und springt dann gleich zu Haller über. Das ist auch ganz begreiflich, denn in dieser langen Zwischenzeit von 1605 bis 1729 war der Natursinn für die Alpen in latentem Zu-stande.Von Haller, der sonst durchaus richtig gewürdigt wird, sagt Jenny, er habe „ auf der Gemmi entzückt und erschüttert zugleich das grandiose Panorama der Monte - Rosa-Welt geschaut ". Es mag sein, daß der junge Reisende, obschon er den Kopf voll von wissenschaftlichen Beobachtungen und Kulturnotizen hatte, diesem Panorama einen kurzen Blick gönnte, aber in seiner Beschreibung steht kein Wort davon, und auf sein Gedicht hat dieser Anblick keinen Einfluß ausgeübt. Ich hebe diesen Mißgriff Jennys hervor, weil man in solchen Dingen nur zu leicht geneigt ist, unsere heutigen Empfindungen in die Vorwelt zu projizieren. Ich kann hier auf die immer ausführlich und mit reichen Zitaten begründeten Urteile Jennys über ältere, neuere und neueste Alpendichter nicht eintreten, so interessant dies auch wäre. Einzelne dieser Urteile reizen freilich zum Widerspruch, so der Satz ( pag. 53 ): „ Hegners Molkenkur kann geradezu als ein novum organon in bezug auf die Alpendichtung bezeichnet werden. " Abgesehen davon, daß der Begriff novum organon hier falsch angewendet ist, kann die nur vorübergehend wirksame „ Molkenkur " mit dem epochemachenden Werk von Bacon nicht verglichen werden. Mit der leisen Kritik, die an J. C. Heers Tätigkeit in der alpinen Literatur ausgeübt wird, bin ich dagegen ganz einverstanden, ich hätte sie freilich lieber etwas lauter und schärfer gewünscht. Dem Abschnitt über Kunstdichtung geht ein solcher über die Volksdichtung voraus, mit welcher der Verfasser sich ebenso vertraut zeigt wie mit den Erzeugnissen der Kunstdichtung. Auch hier stößt der Leser auf wenig oder gar nicht Bekanntes, und ich möchte den Verfasser ermuntern, die alpine Sagensammlung, die er aus eigenen Aufzeichnungen zu besitzen scheint, herauszugeben. Das diesjährige Clubbuch hatte leider den Platz dafür nicht mehr frei. Bei dieser Gelegenheit könnten auch einige kleine Versehen in der „ Alpendichtung " verbessert werden. Der Kuhreihen als etwas von den Hirten wirklich Gesungenes ist aus unsern deutschschweizerischen Alpen längst verschwunden und auch in der Gruyère wohl nur noch ein Kunstprodukt trotz Sainte-Beuves Satz: Tout vrai Suisse a un ranz éternel au fond du cœur. Daß der Kuhreigen heute noch bei der Auffahrt zur Alp gesungen werde, glaube ich nicht; das würde auch technisch seine Schwierigkeiten haben. Die Erzählung von dem angeblichen Verbot des Kuhreihens bei den Schweizertruppen in Frankreich hätte etwas ausführlicher sein dürfen; so wie sie auf pag. 25 steht, ist sie kaum verständlich. Von der Mythologie im Alpsegen wäre besser gar nichts gesagt worden. Im ganzen aber, wie gesagt, kann ich diese Monographie als einen tüchtigen Beitrag zur Erkenntnis der Alpenwelt und des ihr innewohnenden Kulturelementes nur empfehlen.Redaktion.
Ed. Rahir: Le Höll-Loch ( Trou d' Enfer ) en Suisse.
Extrait du Bulletin de la Société belge de Géologie, de Paléonto-logie et d' Hydrologie, T. XIX ( 1905 ), mémoires. Bruxelles, mai 1905.
Der im Titel genannte belgische Höhlenforscher hat im Mai/Juni 1904 das bekannte System von Höhlengängen im Kalkgebirge des Muotatals einer eingehenden Untersuchung unterzogen und kommt zu dem schon von E. A. Martel aufgestellten Schlüsse, daß das Höll-Loch in einem grandiosen Maßstab, der kaum von der Adelsbergergrotte übertroffen wird, alle Phänomene vereinigt, welche die Höhlenforschung der Kalk-gebiete bis jetzt herausgearbeitet hat. Im Eingang wird die Geschichte der Erforschung des Höll-Loches von 1880 bis 1905 skizziert und dabei auch auf die in diesem Jahrbuch XXXVIII erschienenen Forschungen der Herren Jos. Otter und P. Egli Bezug genommen. Von den 26 Abbildungen der Rahirschen Broschüre sind ( i dem Jahrbuch S.A.C. mit Bewilligung des Verlegers entnommen, die übrigen meist Aufnahmen des Verfassers selbst. Für die Details der Forschung bin ich leider nicht Fachmann; aber des Neuen und Interessanten findet auch ein Laie genug, und besonders die Beobachtungen über den Höll-Loch-Bach und seine temporären Überschwemmungen gehören hierzu. Wie man in den Zeitungen gelesen hat, sollen diese Grotten von einer Gesellschaft aufgeschlossen und auch dem nicht „ unterirdisch bergsteigenden " Publikum zugänglich gemacht werden. Es ist dies auch im Interesse der Wissenschaft nur zu begrüßen.
Redaktion.
Guido Rey: Das Matterhorn. Vorwort von Edmondo de Amicis. Geologische Erläuterungen von Vittorio Novarese. Deutsche Übersetzung von Otto Hauser. Mit 37 Zeichnungen von Edoardo Rubino und 11 Abbildungen nach photographischen Aufnahmen. Stuttgart und Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt. 1905.
Ich habe seinerzeit die italienische Originalausgabe von G. Reys Monte Cervino mit dem größten Interesse gelesen und kann der deutschen Übersetzung das Zeugnis geben, daß sie diesen guten Eindruck nicht verwischt, sondern neu belebt hat. Denn wenn in der Ursprache das Temperament des Autors besser zur Geltung kommt als in der Übertragung in die Sprache des „ kälteren Deutschland a, so ist das Verständnis der Übersetzung ein tieferes und nachhaltigeres. Wir begrüßen darum das Werk als eine wertvolle Bereicherung der deutschen alpinen Literatur und hoffen, daß es viele Freunde und Leser finden werde. Das Matterhorn ist ein Berg, dem alle Dinge zum besten gereichen. Durch seine originelle Form hat der „ Löwe von Zermatt " Aufsehen erregt, seitdem Reisende in das einsame Tal gelangten, und auf der italienischen Seite hat es die Phantasie der Bergbewohner mächtig angeregt und die Lust zu seiner Besteigung bei Eingebornen gereizt, selbst bevor ein fremder Bergsteiger die Hütten von Giomein mit solchen Plänen betrat. Und seitdem der Gipfel den Angriffen der Italiener und Engländer nach einer an spannenden Momenten ungewöhnlich reichen Vorgeschichte auf der schweizerischen und italienischen Seite fast gleichzeitig erlag, ist der Mont Cervin der Gegenstand begeisterter Schilderungen aus den berufensten Federn geworden. Leslie Stephen, Tyndall und Whymper, Javelle, Güßfeldt und Wundt, Sella u.a. haben sein Lob in Aufsätzen und Büchern gesungen. Aber schon vor der ersten Besteigung gaben Saussure, Forbes, Töpfer u.a., wie Rey nachweist, ihrer Bewunderung des von ihnen für unersteiglich gehaltenen Gipfels unumwundenen Ausdruck. Seit dem Jahre 1865 ist der Besuch des Matterhorns in reißendem Maße gestiegen, keine Katastrophe, und der Berg sah deren viele, konnte dieses Anschwellen hindern, und auch der Umstand, daß der Riese nun auf beiden Seiten in Stricke und Fesseln gelegt ist, macht sich nicht in dem Sinne geltend, daß der solche Mittel ablehnende Bergsteiger strenger Observanz den Berg etwa miede; denn wenn irgendwo sind solche Hülfen am Cervin unumgänglich, und zudem sind auch mit diesen die Schwierigkeiten auf den gewöhnlichen Wegen groß genug, um von den Zugängen über den Furggen- und den Zmuttgrat zu schweigen.
Das Matterhorn ist also bekannt und berühmt genug. Dennoch ist das neue Buch von Rey durchaus nichts Überflüssiges und seine Übertragung ins Deutsche ( und ich glaube auch ins Französische ) durchaus berechtigt. Denn es hat einen durchaus persönlichen Charakter und darin ähnelt es Whympers scrambles am meisten. Und Rey konnte wohl ausführlich schreiben, denn er hat sehr oft und auf allen Routen den Gipfel erreicht, bevor er an die Aufgabe ging, den Berg und seine Ersteigungg -geschichte zu schildern. Dies geschieht in den drei ersten Kapiteln, betitelt: I. Die Vorläufer; II. Das Val Tournanche; III. Die Besteigung des Matterhorns. Von besonderin Wert sind in Kapitel I und II: die Nachrichten über die Erforschung des Tales und der Übergänge von Zermatt her in alter Zeit; in Kapitel III werden aus Tagebüchern Gior-danos und Briefen von ihm an Quintino Sella manche bisher dunkle Punkte im Benehmen Carrels gegenüber Tyndall und Whymper zu seinen Ehren aufgeklärt. Außerdem enthält der Abschnitt Val Tournanche eine prächtige Schilderung von Land und Leuten. Die Kapitel IV: Als ich das Matterhorn zum erstenmal sah; V: Das Matterhorn über Zmutt; VI: Das Matterhorn über Furggen, sind Erzählungen voll dramatischer Spannung und leidenschaftlichen Anteils des Autors an seinem Stoff. Eine flott geschriebene Vorrede von de Amicis und eine geologische Betrachtung von Novarese rahmen diese Kapitel würdig ein. Auch die Illustrationen, Kreide- und Federzeichnungen von Rubino und Photo-gravüren nach Sella-Aufnahmen entsprechen dem Begriff eines Prachtwerkes, zu welchem dem Autor wie dem Verlag zu gratulieren ist. Ein paar Versehen und Falschschreibungen in der Übersetzung, die hierin dem Original ohne eigene Kritik folgt, wollen wir nicht aufmutzen, der aufmerksame Leser findet sie selbst ohne Mühe.Redaktion.
Alpine Gipfelführer. I. Die Zugspitze. II. Die Elmauer Haltspitze. III. Der Ortler. IV. Der Monte Rosa. Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart, à Mk. 1 per Bändchen.
Ich schließe diese viel anspruchsloseren Büchlein an den stolzen Prachtband Reys an, weil der gleiche Verlag auch sie herausgibt. Sie gehören dem praktischen Genre an und sind zum Mitnehmen bestimmt. In kompendiöser Form enthalten sie alles, was dem Besteiger des betreffenden Gipfels zu wissen frommt aus der Geschichte der Gegend, der Ersteigungsgeschichte des Gipfels und über die Zugänge. Diese Büchlein sind also eine Weiterentwicklung der Climbers'Guides, der Hochtouristen und der Clubführer, indem sie sich auf eine einzelne Spitze beschränken und diese möglichst eingehend behandeln. Wie man diese Thema noch weiter spezialisieren sollte oder könnte, will ich gerne der Zukunft überlassen. Mich dünkt, man führe das alpine Kind schon mehr als genug am Gängelbande.Von den oben genannten Büchlein will ich nur auf das letzte eingehen, weil ich nur den Monte Rosa genauer kenne. Das von Dr. F. Hörtnagl verfaßte Bändchen enthält eine orographische Einleitung: Aufbau des Monte Rosa-Stockes und seiner Gletscher, gibt dann eine knappe, aber für seinen Zweck ausreichende Ersteigungsgeschichte und schildert hierauf die Zugänge zur Dufourspitze von Zer- matt ( gewöhnliche Route ), vom Grenzgletscher, von der Capanna Margherita ( offiziell heißt sie C. Regina Margherita ), über die Monte Rosa-Ostwand und endlich die übrigen Gipfel des Monte Rosa. Eine Anzahl guter Abbildungen, darunter ein Panorama von der Dufourspitze und eine Kartenskizze mit eingezeichneten „ leichten ` und „ schweren " Wegen dienen ebenfalls zur Belehrung. Das Büchlein über die Elmauer Haltspitze ist von F. Bohlig, das über die Zugspitze von Ernst Peter und das über den Ortler von Dr. Niepmann verfaßt. Sie sind alle praktisch in grüne Leinwand kartonniert.Redaktion.
Le massif des Diablerets de Montreux à Ardon et