Agassiz war Rassist, Lincoln auch
Zum Artikel «Was tun mit einem unliebsamen Ehrenmitglied?», «Die Alpen» 09/2016
Ich bin froh, dass der SAC in seiner Berichterstattung über den «Fall Agassiz» auch den historischen Kontext berücksichtigt. Denn es ist gefährlich und wohl auch unfair, wenn man einen Menschen aus einem anderen Zeitalter mit heutigen ethischen Massstäben beurteilt. Aber die Aussage des zitierten Historikers, dass Agassiz’ Haltung, dass Schwarze den Weissen nicht ebenbürtig seien und die Rassenvermischung vermieden werden sollte, «schon für damalige Verhältnisse radikal und krud» gewesen sei, scheint mir auf wackeligen Füssen zu stehen. Dokumentierte Quellen sprechen eine andere Sprache.
Abraham Lincoln beispielsweise stellte in seinem Wahlkampf 1860 in einer Rede in Charleston klar, dass er zwar die Sklaverei ablehne, aber keine soziale oder politische Gleichheit zwischen den Rassen befürworte. Er sei im Weiteren überzeugt, dass es eine physische Differenz zwischen den Rassen gebe und die weisse Rasse der schwarzen überlegen sei.
Es geht mir nicht darum, über Lincolns Haltung zu theoretisieren, das wurde schon zur Genüge getan. Entscheidend ist: Mit dieser aus heutiger Sicht eindeutig rassistischen Haltung scharte er die amerikanische Öffentlichkeit jener Zeit hinter sich und gewann seinen Wahlkampf um die Präsidentschaft der USA gegen Kandidaten, die den Schwarzen (noch) weniger wohlgesinnt waren. Damit ist wohl klar, dass Lincolns und Agassiz’ Haltung dem damaligen Mainstream der amerikanischen Elite und auch der gesamten Bevölkerung entsprach. Deren Einstellung rührte vermutlich daher, dass es zu dieser Zeit nur wenige gebildete Schwarze gab. Die Amerikaner realisierten nicht, dass dies an ihren erbärmlichen Lebensumständen lag und nicht an ihren Fähigkeiten.
Agassiz war Rassist gemäss heutiger Definition, Lincoln auch, der Grossteil der Wählerschaft der damaligen USA ebenfalls. Taufen wir das Agassizhorn um! Sobald auch das Lincoln Memorial in Washington abgerissen oder wenigstens umbenannt ist.