25 Jahre Schneepegel bei der Rotondohütte
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25 Jahre Schneepegel bei der Rotondohütte

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

( 1940-1965 )

VON ERNST AMBÜHL, LIEBEFELD-BERN

Mit 5 Bildern ( 38-42 ) und 1 Skizze Zusammenfassung: Von der über 25 Jahre gemittelten Schneehöhenkurve vom Pegel bei der Rotondohütte seien hier folgende Daten festgehalten: An Ostern liegen noch 300 cm Schnee. Das Maximum von 318 cm wird am 5.Mai erreicht. Am 20. Juli erfolgt das Ausapern. Ende August/erste Septembertage ist die Wahrscheinlichkeit für Schnee am kleinsten. Am 20. Oktober schneit es wieder ein.

Durch eingehende Vergleiche mit andern Gebirgsstationen mit langjährigen Beobachtungsreihen wird gezeigt, dass die hier gewonnenen Resultate sich durchwegs in sinngemässer Form einordnen lassen und dass sich erwartete Gesetzmässigkeiten bestätigen.

Mein erster Besuch der Rotondohütte, welche 1909 im hintern Witenwasserental erstellt wurde, erfolgte am 27. und 28. Juli 1917. Ich begleitete als Sekundarschüler einen Freund meines Vaters, welcher als Adjutant-Unteroffizier bei der Fortwache in Andermatt Dienst tat, sowie dessen beide jüngeren Söhne.

Fahrgelegenheiten nach Realp bestanden während jener Mobilmachungszeiten praktisch keine, und durchs Witenwasserental hinein bis nach Oberstafel ( 2220 m ) war ein Saumweg vorhanden, welcher knapp vor Kriegsausbruch fertig erstellt worden war. Als wir gegen Abend zur Hütte gelangten, konnte ich zum ersten Male in meinem Leben die Firnenwelt so nahe bestaunen. Ich erinnere mich noch, dass gleich hinter dem Gebäude, welchem ein kleines grünes Mätteli folgte, die Schneedecke begann. Sie reichte in makellosem Weiss mit den mich komisch anmutenden Firnrillen bis an den Steilabfall der uns umgebenden Stöcke.Vom Witenwasserengletscher sah man der Schneebedeckung wegen nichts; um so besser hörte man ihn. Dann und wann erreichte ein kurzes, scharfes Knallen das Ohr, und noch ein- oder zweimal wurde nachts dadurch mein gesunder Schlaf kurz unterbrochen.

Damals waren die Gletscher mehrheitlich energisch im Vormarsch. Schon vor rund zehn Jahren nahm es einmal dieser, einmal jener Sommermonat mit seiner Wärmeverpflichtung nicht so genau; aber erst 1909 und 1910 waren extrem kalte Sommer. Wohl konnte das berühmte 1911 mit seiner aussergewöhnlich grossen Wärme vieles gutmachen; allein in den folgenden Jahren waren wiederum die Sommer mit ihren Wärmeleistungen weit von ihrem Soll entfernt. Dazu kam, dass die beiden Winter 1915/16 und 1916/17 ( und schon einige vorher ), gemäss den Aufzeichnungen vom nur 614 km entfernten Gotthard-Hospiz ( 2095 m ), zu den schneereichsten der nun über hundertjährigen meteorologischen Geschichte dieses Passes zählen. Mit 685 cm Schnee am 30. März 1916 bzw. 660 cm am 23. April 1917 wurden enorm hohe Resultate erzielt, welche nur noch - seit 1860 - von 1879 und 1888 erreicht oder übertroffen sein dürften.

Da der Vegetationsperiode 1916, während welcher die riesigen Schneemassen im Gebirge längst nicht zum üblichen Abschmelzen kamen, wiederum das Prädikat « kalt » und « nass » erteilt werden musste, bedarf es wohl keiner weitern Erklärung, dass für den Vorstoss der Gletscher alle günstigen Bedingungen erfüllt waren.

Nach dem sonst recht guten Sommer 1917 zogen erneut mehrheitlich unfreundliche Nachfolger ins Land, und erst das selten trockene und warme 1921 brachte eine Wendung. Und als ich während der zwanziger Jahre der Rotondohütte weitere Besuche abstattete, konnte man bald die vorhin erwähnten geräuschvollen Spannungsauslösungen des Eises nicht mehr hören, dafür um so mehr das Rauschen der Bäche, welche im Sommer weniger und weniger überdeckt blieben. Auch das vor Jahren noch einwandfreie Weiss des Firns wurde da und dort von ausapernden Felsen unterbrochen und nahm selbst alle Grauschattierungen an.

Seit 1935 verfolge ich das untere Ende des Witenwasserengletschers. Bis 1965 hat der Eisstrom gerade 300 m an Länge eingebüsst. Ab 1936 wurde jeden Herbst von der Hütte aus das Panorama photographiert, und seit 1937 markiere ich tunlichst jedes Sommerende die Eis- und Firnhöhen an ausgewählten Punkten im und am Witenwasserengletscher ( und weitern vielen Örtlichkeiten im Gotthard-Gebiet ), um nach Jahresfrist die Unterschiede festzuhalten.

So war es in diesem Gebiete 1940 eigentlich die logische Folge, dass man sich fragte, wie sich die Schneeverhältnisse über das ganze Jahr zeigen würden.

110 m westlich der Hütte fand sich eine grössere, ziemlich ebene Stelle, welche später bei jedem Herbstbesuch durch Hertragen von Steinen etwas erweitert wurde. Damit konnte eine für einen Schneepegel möglichst neutrale Lage in Aussicht genommen werden, so gut wie man das in den alpinen Gegenden erwarten darf, wo immer Windverwehungen in Kauf genommen werden müssen.

Mein Schneepegelgesuch bei der Sektion Lägern des SAC in Baden, welcher ja die Hütte gehört, fiel auf sehr fruchtbaren Boden, da man in höchst grosszügiger Weise sämtliche Kosten für die Eisenstange und deren Transport an Ort und Stelle übernahm, ohne mir auch nur die geringsten Bedingungen zu stellen. Ich möchte auch an dieser Stelle der Sektion Lägern meinen herzlichsten Dank nicht nur für ihre liebenswürdigen Bemühungen beim Start der Messserie abstatten, sondern auch für das vor einigen Jahren erfolgte Einmauern der Stange. Ich freue mich sehr, dass ich mich endlich mit dieser Arbeit etwas revanchieren kann.

Ein Hinweis in der Hütte, dass sich ein Schneepegel in der Nähe befinde und erwünschte Ablesungen auf ein aufgehängtes Formular notiert werden könnten, fand recht guten Anklang. So darf ich denn nochmals recht freundlich für all die vielen Aufzeichnungen danken, welche von SAC-Kameraden und Touristen gemacht wurden, ebenso für die zahlreichen Notierungen der drei Hüttenwarte Rony Simmen, Lorenz Regli und Hans Mattli; denn sie alle haben geholfen, dass so viele Resultate zustande kamen, die nun hier ausgewertet wurden.

Das erhaltene Material Beim Sichten der vielen Ablesungen stellen wir folgendes fest: Nach dem Oktober werden die Eintragungen bis zum März etwas dürftig. Das ist leicht zu erklären, denn kurz nach dem Ein- 300

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] Ma Mit Aus Ein Pegel Rotondohütte SAC 2575 m Mittlere Schneehöhe 1940-1965 21. März-1. November ximum 318 cm am 5.V. Minimum 0,6 cm am 30. VIII.

>apern: 20. VII. 59 cm schneien: 20.X. 23 cm

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200 100 März April Mai Juni Juli August Sept.

Oktober III.

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schneien der höheren Lagen ist die Schneedecke doch im allgemeinen noch nicht hinreichend für den Wintertourismus. Im Hochwinter ziehen die meisten Skifahrer die Überwindung von Höhendifferenzen auf bequemere Art als mit eigener Anstrengung vor. Erst wenn der Frühling im Lande unten Fuss zu fassen beginnt, werden höhergelegene Gebiete wieder aufgesucht. Traditionsgemäss erlebt die Rotondohütte namentlich an Ostern Massenbesuch und bleibt auch nachher das Ziel vieler Touristen. Im Übergang zum Bergsommer treten die Notierungen wieder etwas zurück, um nachher erneut anzusteigen.

Was wollen wir eigentlich mit dem vorliegenden Material unternehmen? Die Einzelmessungen, so interessant sie auch sein mögen, zeigen in dieser zusammenhanglosen Form, auch über viele Jahre hinaus, keine Gesetzmässigkeiten, die zu finden unser Ziel sein soll.

Sehr erwünscht wäre es, wenn wir von jedem Tag, durch das ganze Jahr hindurch, und dies in möglichst grosser Auflage, die jeweilige Schneehöhe hätten. Dieser Wunsch muss aber Wunsch bleiben, namentlich für die « magern » Zeiten. Wenn nun aber beispielsweise ein Resultat von Anfang Mai, das nächste gegen Ende des gleichen Monats vorliegt, so lassen sich die dazwischenliegenden Tage durch Interpolationen errechnen. Mit den täglichen Angaben der benachbarten meteorologischen Station Gotthard ( namentlich Temperatur, Niederschlag und Wind ) lassen sich die wahrscheinlichen Werte der dazwischenliegenden Tage durch Probieren ( das oft nicht das erstemal gelingt !) ermitteln. Ich konnte mich darin schon mehrfach üben bei der analogen Behandlung anderer Stationen ( Andermatt, Gotthard, Grosser St. Bernhard, Säntis, Jungfraujoch u.a. ). Diese Überbrückungen dürfen natürlich nicht über beliebig grosse Zeiträume erfolgen, und so wurde denn auch auf die Weiterbehandlung des mit Angaben nicht besonders dicht belegten Hochwinters verzichtet.

Begonnen wurde mit der Verarbeitung jeweils erst am 21. März, und sie erfasst die Zeit bis zum 1. November vollständig. Für die nun vorliegenden fast 7 J4 Monate wurden also über 25 Jahre die täglichen Schneehöhen ermittelt und daraus für jeden Kalendertag der Durchschnitt errechnet. Dabei wollen wir klar festhalten, dass die Resultate qualitativ weder an diejenigen eines Observatoriums ( mit 8 Beobachtungen täglich ) noch an eine meteorologische Station heranreichen können. Wir werden aber in der Lage sein, auf Gesetzmässigkeiten hinzuweisen, die sich bei den erhaltenen Ergebnissen von der Rotondohütte ebensogut einstellten wie bei andern Stationen, welche einer viel vollständigeren Beobachtung unterzogen wurden. Dies allerdings nur deswegen, weil hier wie dort durchgehend gemittelte Werte zur Verfügung stehen mussten.

Wenn nun für unsere Betrachtungen auch etwas mehr als 4 J4 Monate fehlen, so zeigt die bald zu besprechende Kurve doch ihre wichtigsten Daten: das Schneehöhenmaximum, das Ausapern und das Einschneien. Darum sei dieser Darstellung unsere Aufmerksamkeit gewidmet.

Der astronomische Frühlingsbeginn im Hochgebirge Am 21.März verzeichnet unsere Clubhütte eine mittlere Schneedecke von 267 cm Höhe; dies in der Zeit, wo im bevorzugteren Mittelland bereits der Tag mit der durchschnittlich letzten Schneedecke überschritten ist, wie die folgenden Angaben dies belegen sollen:

Es schmolz im 50jährigen Mittel die letzte Schneeschicht in Genève ( 405 m ) am 3. März, Basel ( 277/317 m ) am 9. März, Bern ( 572 m ) am 28. März, Altdorf ( 456 m ) am 29. März, Zürich ( 493 m ) am 30. März, dagegen in Lugano ( 276 m ) schon am 24. Februar.

Diese Zahlen besagen, dass der im Flachland der Alpennordseite gewöhnlich nicht sehr aktive Winter im allgemeinen am 18. März zu Ende ist. Nur einen Tag später beginnen in Bern die Wiesen wieder zu ergrünen, bei einer durchschnittlichen Mittagswärme von 8,1 Grad. In 2600 m Höhe hält aber der Schneezuwachs unvermindert an. Am 19. April - das sind 4 Tage, bevor in Bern das Blühen des Löwenzahns beginnt - wird ein erstes Maximum mit 317 cm erreicht. Nach tendenz-mässig schönem Wetter zwischen dem 10. und 15. April erfolgt gern ein Kälterückfall, der sich in der Höhe in einem Schneezuwachs äussert.

Das Schneehöhenmaximum Die Kulmination der Schneedecke bei unserm Pegel - wir reden immer vom 25jährigen Mittel -wird am 5. Mai erreicht; sie beträgt 319 cm. Dieser Wert kommt erst recht zur Geltung, wenn man ihn dem entsprechenden Betrag von Basel ( 277/317 m ü.M. ) gegenüberstellt, wohl dem geringsten in unserem Lande ( aus den Jahren 1901 bis 1950 ). Dieser beläuft sich auf bloss 2,2 cm und tritt schon nach Mitte Januar in wenig imposante Erscheinung. Selbstredend fällt der Höchstwert bei der Rotondohütte eines einzelnen Jahres mit dem genannten Betrag nicht gerade auf diesen 5. Mai. So wurde 1945 bereits am 28. März die grösste Schneehöhe erreicht, welche mit 545 cm zugleich das absolute Maximum bedeutet. ( Der Fahrdraht des Trams befindet sich in der Regel auf 610 cm über dem Strassenniveau, d.h. nur 2/3 m über dieser Schneeanhäufung. ) Im darauffolgenden Jahre wurde die Kulmination erst am 23. Juni - als spätestem Datum - mit 395 cm erklettert.

Wir sehen also, dass sich der Winter bereits |4 Jahr reserviert, um am « winterlichsten » auszusehen, und dabei im Extremfall noch über den längsten Tag hinausgeht. 1942 ging der Höchstwert nur auf 175 cm ( 30. April ). Nur 5 cm mehr betrug die grösste Schneehöhe 1949, am 7. Mai. Das sind die einzigen Resultate unter 2 m. Allerdings weisen ebenfalls nur 2 Jahre Werte über 5 m auf: neben dem schon genannten 1945 auch 1951 ( 10. Mai ).

Und nun wollen wir die erste Probe mit den bisher erhaltenen Resultaten machen. Wenn man alle jährlichen Maxima mittelt, so erhält man für die Rotondohütte den Wert 355 cm, welcher auf den 25.April fällt. Das sind 12% mehr als die allgemeine Kulmination vom 5. Mai mit 319 cm, und er stellt sich somit 10 Tage früher ein. Fügen wir die entsprechenden Angaben von Andermatt, Gotthard, Säntis und Jungfraujoch hinzu, so gewinnen wir die nächste Aufstellung. Das mittlere, freie Schneehöhenmaximum ( zeitliche und Zentimeterangabe über das Maximum jedes einzelnen Jahres; daraus den Durchschnitt gebildet über die 25 Einzelangaben 1941-1965 ) tritt vor dem durchschnittlichen allgemeinen Höchststand auf:

Andermatt ( 1444 m11 Tage Gotthard ( 2095 m10 Tage Rotondohütte ( 2575 m ) 10 Tage Säntis ( 2501 m17 Tage Jungfraujochfirn ( 3350 m ) 14 Tage Das mittlere, freie Schneehöhenmaximum ist um folgende prozentuale Beträge höher als die durchschnittliche Kulmination:

Andermatt 32°/ Gotthard 34% Rotondohütte 12% Säntis 48% Jungfraujochfirn 3% Diese Angaben wurden für alle diese Stationen aus einem Zeitraum von je 50 Jahren gewonnen.

Man sieht: Die einzelnen Maxima treten 1 y2-2 Wochen vor dem gemittelten Höchstwert auf. Der Säntis « tanzt » dabei deutlich aus der Reihe. Bis gegen 1940 wurden die Schneemessungen auf dem oft sturmumtobten Gipfel gemacht, nachher knapp 200 m tiefer, wo weniger durch den Wind diktierte Resultate in Kauf genommen werden müssen. Allerdings kam man dabei in eine wärmere Zone, die nicht ohne Einfluss auf die übrigen Belange blieb. Der geringe prozentuale Unterschied auf Jungfraujoch - der Schneepegel befindet sich auf 3350 m - hängt mit der im Vorsommer sehr flach verlaufenden Schneehöhenkurve zusammen. Wenn wir von den vom Säntis erhaltenen, durch die Art der dortigen Umgebung geforderten Resultaten absehen, fügen sich die neu erhaltenen Werte sinngemäss zwischen die andern Angaben ein.

Der kritische Leser wird sich nun sicher mit Recht fragen, warum im allgemeinen erst in der ersten Maiwoche auf rund 2600 m Höhe die grösste Schneemächtigkeit erreicht werde. In jenem Zeitpunkt

33 Dank zusätzlicher Hangthermik durchbrechen die Kumuli die Dunstobergrenze ( etwa 2500 m ); die im Hochdruck absinkenden Luftströmungen verhindern jedoch das Emporquellen höher als etwa 4500 m, wodurch noch gut 2000 Höhenmeter zur ersten Schauerbildung fehlen

Das Wetter im Sommer

Photos Swissair-Photo AG, Zürich 34 Hochsommerlicher Hitzedunst über den Walliser Alpen mit Obergrenze um 4500 m gegen das Ende einer Hochdrucklage. Im oberen Dunstbereich Kondensation des Wasserdampfes mit Kumulusbildung, darüber klare, trockene Luft mit Absinken, welches alle Thermikschläuche abstoppt f 1'f.

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Schneepegel Rotondohütte

Aufnahme vom 1. September 1936 nach einem Sommer mit ausgesprochen geringer Ablation 38/39 Blick von der Rotondohütte gegen das Leckihorn. Man beachte den starken Rückgang des Witenwasseren-Gletschers ( im Bild mittlerer Vordergrund Richtung schräg links unten )! Rechts vom Leckihorn erkennt man auf der 1964er Aufnahme, mitten im Firn des Aufstiegs zum Leckipass eine kleine Felseninsel, welche sich 1957 - kein besonderer Sommer - erstmals zeigte und seither stets grosser wurde. Die Firnbedeckung hat in diesen 30 Jahren stark abgenommen. Zur Zeit der Gletscherhochstände ( um 1820 und 1855 ) dürfte sich die ganze Gegend, mit Ausnahme der kleinen Grünzone rechts unten und der Steilhänge oberhalb der Hütte, « Weiss » dargeboten haben. Vor der Klimaverschlechterung aber, welche wohl nach 1550 eintrat, mag der nach Süden exponierte Hang im Vordergrund eine apere Alp gewesen sein Aufnahme vom 1. September 1964 nach einem extrem schneearmen Winter und einem sehr warmen Sommer mit intensiver Ablation 40 Der Schneepegel, von der Rotondohütte aus gesehen, am Mittag des 22. September 1965: Blick WNW. Wir erkennen die 5 m lange Stange in 100 m Distanz. Wenige Lagen weisen noch 10 cm Schnee auf, der am nächsten Tag auf 0 zurückgeht. Schneefall bereits am 22. August. Mit leichter Drehung nach rechts würden Stellibodenhorn und Leckipass sichtbar 41 Blick vom Punkt A der Messung gegen den Witen-wasseren-Gletscher, am 22. September 1965: von links nach rechts Leckihorn, Leckipass und Stellibodenhorn. Noch am 12. August 1935 betrug die Distanz vom nämlichen Punkt zum Gletscherende 25 m, im Zeitpunkt der Aufnahme 325 m! Schneedecke am Vormittag 23 cm ( Anwehung ); bei der Hütte - 140 m weiter oben - nur 10 cm 42 Witenwasseren-Gletscher, am 1. September 1964: dasselbe Bild nach einem warmen Sommer. Bodenbeschaffenheit: Rotondogranit, Orthogneis, wenig Paragneis und Amphibolit. Vor einem halben Jahrhundert war dieser Standort noch mit Eis bedecktPhotos Dr. Ernst Ambühl, Liebefeld-Bern

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sei doch auch in den Bergen die intensivste Kälte längst vorüber. Natürlich ist sie das, aber eben noch nicht in hinreichendem Ausmasse. Aber: wann beginnt denn der Abbau einer Schneedecke? In der Regel beginnt - bei Temperaturfall - der Regen bereits etwas oberhalb 0 ° in Schnee überzugehen. Die gleich geringe Wärmemenge fängt aber schon an, dem Schnee zuzusetzen, womit der Schmelzprozess seine Einleitung erfährt. Es dürfte bekannt sein, dass im allgemeinen täglichen Gang der Temperatur am frühen Nachmittag der Höchstwert erreicht wird. Die Beobachtungszeit auf unsern meteorologischen Stationen ist u.a. auch 13.30 Uhr, und im Winter stellt sich wenig später in der Regel das Tagesmaximum ein, in den Bergen etwas früher als unten.

Begeben wir uns für einen Moment in die Bundesstadt ( 572 mDort tritt - für unsere erste Jahrhunderthälfte - im Mittel am 28. Januar die grösste Schneemächtigkeit auf. Wenn sie auch, verglichen mit der Rotondohütte, den lächerlich kleinen Wert von bloss 5,8 cm aufweist ( im hintern Witenwasserental ist er 55 mal grosser !), so scheint unsere vorhin gemachte Feststellung zuzutreffen, da an jenem Tage um 13.30 Uhr 0,8° gemessen werden, an den Vortagen weniger,nachher mehr.In Andermatt ( 1444 m ) misst man - es geht dann schon gegen Mitte März - am Datum der maximalen Schneehöhe am Mittag 1,2°. Auf dem Gotthard-Hospiz ( 2095 m ) tritt der « sichtbare » Winter am 7. April in seinen Zenit. Und wenn wir 100 Jahre der Rechnung zugrunde legen, so teilt sich lediglich der 6. April noch in diesen ersten Rang. Die Mittagstemperatur beträgt dann im langjährigen Durchschnitt—0,3°. Auf dem Säntisgipfel ( 2501 m ) wurde in der Zeit von 1901-1940 der 28. April als der schneereichste Tag errechnet, bei einer Mittagstemperatur von —1,8° ( für 1901-19501,5 ° ). Und endlich auf dem Jungfraujochfirn ( 3350 m ), südlich unterhalb der Gebäulichkeiten, tritt der Winter erst am 26. Juni ( aus fast 50 Jahren Beobachtung ) seinen Rückzug, und diesen nur zögernd, an. Dort oben beträgt dann die Mittagstemperatur ( wieder als Durchschnitts-grösse ) —0,9°.

Die Frage, warum wohl in den alpinen und hochalpinen Lagen die allgemeine Ablation bereits beginne, wenn das tägliche Temperaturmaximum noch etwas unter 0° bleibt, kann folgendermassen beantwortet werden: Der dort oben sich immer geltend machende Windeinfluss wirkt sich bereits in einem Zeitpunkt auf die « Schmelze » aus, wenn die Temperatur dies noch nicht zu tun in der Lage ist. So geht auf dem Grossen St. Bernhard ( 2478 m ) die Mittagswärme am 4. Mai und auf dem Säntis ( 2501 m ) am 5. Mai definitiv wieder über 0° hinaus. Und rund 3-4 Tage später dürfte sich auch bei der Rotondohütte das nämliche einstellen. Das würde heissen, dass die Krönung des Winters kurz vor dem Moment erfolgt, wo der Tageshöchstwert der Wärme im allgemeinen die 0°-Schwelle überschreitet.

Die Ablation ( Schneeschmelze ) Ist einmal dieser 5. Mai erreicht - wir wollen wieder die Kurve betrachten-, so steht dieweisse Jahreszeit den kommenden Ereignissen machtlos gegenüber. Ohne auch nur die geringsten Rückschläge - im 25jährigen Mittel natürlich - wird die Schneehöhe rasch dezimiert. In der Zeit zwischen dem 20. und 25. Juni findet die intensivste Schmelze statt, welche pro Tag mehr als 51/2 cm beträgt. Die grösste Tagesleistung vollbringt der 23. mit gegen 8 cm ( als Mittelwert ), und auch die höchsten Einzel werte innert 24 Stunden gehen nur ganz ausnahmsweise wenig über 15 cm hinaus. Die Wärme in dieser Höhe bleibt, gemessen an den Resultaten im Lande unten, vorwiegend in bescheidenem Rahmen. Der absolute Höchstwert innerhalb fast 150 Jahren beträgt, gemäss einem vielleicht nicht ganz einwandfrei anzeigenden Maximumthermometer, auf dem Grossen St. Bernhard ( 2478 m ) 22,8° ( 10. August 1923 ).

7 Die Alpen - 1966 - Les Alpes97 Warum wird die Abnahme der Schneeschmelze von Ende Juni an wieder nach und nach verlangsamt, während doch die Wärme mehr und mehr zunimmt? Es gibt eben Jahre, in denen es um diese Zeit bereits ausgeapert hat, und diese zählen für die Mittelbildung nur noch mit 0, aber nicht darunter!

Das Aus ape rn Im 25jährigen Durchschnitt wird die Umgebung der Rotondohütte am 20. Juli schneefrei. Im unerreichten Rekordsommer des Jahres 1947 musste der Winter schon am 13. Juni ausziehen. 10 Tage später erfolgte der Sommerbeginn in den Jahren 1942 und 1949.

Im Lawinenwinter 1951 bequemte sich der weisse Herr erst am 26. August zum Verschwinden, während 1955 die kurze apere Zeit am 19. August begann. Wir notieren damit einen Spielraum von 2 y2 Monaten. Am 20. Juli beträgt die durchschnittliche Schneehöhe bei der Hütte noch 59 cm. Auf den ersten Blick wird man sagen, das könne nicht stimmen, da dann doch kein Schnee mehr vorhanden sein sollte. Das würde indessen nur dann eintreffen, wenn es in jedem Jahre am genau gleichen Tage ausapern würde; sonst aber bleiben Restbeträge für die Rechnung und damit auch erfassbare Höhen. Die vorhin genannte Zahl ist etwas gross ausgefallen, aber sie ordnet sich ebenfalls in eine uns logisch erscheinende Reihenfolge ein, die anschliessend dargelegt sei:

Am jeweiligen Ausaperungsdatum ( immer Mittel über 50 Jahre ) wiesen noch durchschnittliche Schneehöhen auf:

Rotondohütte59 cm Säntis ( 2501 m46 cm Grosser St. Bernhard ( 2478 m45 cm Gotthard ( 2095 m51 cm Andermatt ( 1444 m38 cm Für diejenigen Jahre, an welchen es auf den nun aufgeführten Stationen ( in abnehmender Meereshöhe geordnet ) noch einschneit und ausapert, lauten die entsprechenden Werte für:

Göschenen ( 1107 m37 cm Gurtnellen ( 739 m25 cm Altdorf ( 456 m12 cm Also eine nach oben zunehmende Grosse, die sich für die am höchsten gelegene Rotondohütte auch an die Spitze stellt, wenn auch etwas deutlich.

Der kurze Hochgebirgssommer Welche Tage sind für unsere einfache Beobachtungsstation die schneefeindlichsten? Es sind dies der 30. und 31. August mit nicht einmal 1 cm Schnee im Mittel. Obschon wir im allgemeinen von Ende Juli bis über Mitte Oktober schneefreien Boden antreffen, hat es schon an allen Kalendertagen Schnee gehabt, was im Durchschnitt eben in einer erfassbaren Grosse - und sei sie auch noch so gering - zum Ausdruck kommt. Und um nicht allzu stark an einem einzelnen Datum zu kleben: vom 28. August bis 1. September sind die Aussichten auf Schneeabwesenheit am grössten. Am wenigsten Schneedecken weisen der 27. und 30. August sowie der 4. und 11. September mit je 2 auf. Die Wahrscheinlichkeit für eine Schneelage beträgt demnach je 8 %. Auch hier können wir auf gute Parallelfälle hinweisen: Nach bald 150 Jahren Beobachtungszeit weist der 31. August auf dem Grossen St. Bernhard ( 2478 m ) die kleinste mittlere Schneehöhe auf, und am gleichen Tage können auf dem Jungfraujochfirn ( 3350 m ) seit bald 50 Jahren die geringsten Angaben am Pegel abgelesen werden. Nachher geht es an diesen Orten langsam, ab und zu unterbrochen von kurzfristigen « Sommererinnerungen », winterwärts, d.h. die Möglichkeit zur Bildung einer Schneedecke und damit zu einer vermehrten Schneehöhe vergrössert sich. Tendenzmässig schöne Tage ( das ist keine Wetterprognose für ein einzelnes Jahr !) fallen auf die Tage vor dem 10. September, dies im Säntisgebiet deutlicher als im Südwesten des Landes. Im weitern sei an das oft günstige Wetter um den Bettag ( zwischen dem 15. und 21. September ) erinnert, das sich sogar auf dem Jungfraufirn in der leicht rückläufigen Schneehöhenkurve dokumentiert. Wir wollen aber trotzdem nicht vergessen, dass auch im Gebirge die warme Jahreszeit dann vorüber ist, denn Juli und August, von denen der letztere mit zunehmender Höhe den Heumonat an Wärme übertrifft, bleiben die wärmsten Monate.

Zwischen dem Ausapern ( 20. Juli ) und dem mittleren Einschneien ( 20. Oktober ) beträgt der Zeitraum 91 Tage, an welchen, nach den gemachten Erhebungen, ihrer 18 noch eine Schneedecke aufweisen. Damit reduziert sich die schneefreie Zeit auf 73 Tage oder auf 101/2 Wochen. Die entsprechenden Angaben für die etwas tiefer liegenden Stationen Säntis ( 2501 m ) und Grosser St. Bernhard ( 2478 m ) für das erste halbe Jahrhundert lauten: 80 bzw.89 Tage. Das Gotthard-Hospiz ( 2095 m ) meldet durchschnittlich 120 Tage ohne Schnee.

Nun liegt doch die Frage nahe, in welcher Höhe denn die apere Zeit auf 0 zurückgeht. Ich darf hier auf meine Ausführungen « 100 Jahre Einschneien und Ausapern in Andermatt, 1860-1960 », Quartalsheft 4, « Die Alpen » 1961, zurückkommen, wo die graphische Darstellung der schneefreien Zeit von den 6 Stationen Lugano ( 276 m ), Altdorf ( 456 m ), Gurtnellen ( 739 m ), Göschenen ( 1107 m ), Airolo ( 1170 m ) und Andermatt ( 1444 m ) in Abhängigkeit zur Meereshöhe als Resultat 2800 m gab, wo es im allgemeinen nicht mehr ausapert. Bringt man dagegen die entsprechenden Werte vom Gotthard ( 2095 m ), Grossen St. Bernhard ( 2478 m ), Säntis ( 2501 m ) und nun noch von der Rotondohütte ( 2575 m ) zur nämlichen Darstellung, so bilden die 4 Punkte fast eine Gerade, die aber erst auf rund 3100 m keine apern Tage mehr aufzuweisen hat. Zunächst halten wir wiederum fest, dass auch hier die Ergebnisse von unserer Clubhütte nicht « aus der Reihe tanzen ». Was hat nun aber diese Verschiebung um ganze 300 m nach oben zu bedeuten? Oder warum weist diese Berechnung mehr schneefreien Boden auf als jene? Ganz offenbar macht sich in diesen hochgelegenen Örtlichkeiten die Wirkung des Windes viel bemerkbarer als in den tiefer gelegenen Tälern. Ich habe schon zweimal, im April und Mai, wenn der Winter sicher im Abklingen ist, eine deutlich grössere Schneehöhe im Rodontboden ( etwa 1950 m ), nördlich des Gotthardpasses, festgestellt als auf dem Plateau des Hospizes: Folge der Schneeverfrachtung durch den Wind. Dass der Säntis in der graphischen Darstellung das nämliche Verhalten wie die übrigen Stationen zeigt, ist indessen reiner Zufall. Seine Isoliertheit macht es den Winden besonders leicht, den fallenden oder kurz vorher gefallenen Schnee talwärts zu treiben und ihn in teils wesentlichem Umfang der weitern Betrachtung zu entziehen. Stünde der genau gleiche Gipfel im SW unseres Landes, so würden die dort sicher besseren meteorologischen Verhältnisse noch weniger Schneedecken zulassen, und es würde infolge der angenommen gleich-gebliebenen Windstärken und -häufigkeiten eine noch grössere Anzahl schneefreier Tage resultieren. Ich halte die Annahme, erst auf 3100 m statt schon auf 2800 m keine schneefreie Zeit mehr anzutreffen, als die sicher den Tatsachen eher entsprechende. So gut wie wir uns auf den Bergen z.B. mit anderen Temperaturen als im Flachland abfinden müssen, ist der vermehrte Windeinfluss etwas durchaus Normales. So kommt es, dass die Gräte praktisch das ganze Jahr keinen Schnee aufweisen, dafür müssen ihn darunterliegende Täler und Halden in überdurchschnittlichem Aus- masse übernehmen. Eine gut ausgewählte horizontale Lage würde höchstwahrscheinlich ein zwischen diesen extremen Örtlichkeiten sich ergebendes, objektives und deshalb verwertbares Bild zeitigen. Apropos Verwehen oder « Verguxen » des Schnees auf dem Säntisgipfel: Am 4. Mai 1919 wurde die Rekordschneehöhe von 785 cm gemessen. Offenbar blieb trotz der vielen Winde noch ein ansehnlicher Rest oben!

Das Einschneien Der sehr warme Sommer 1952 brachte am 6. September der Rotondohütte den Winter, der sich nicht mehr vertreiben liess. Es ist dies auch hier oben ein ausserordentlich frühes Datum. Zum Vergleich: seit 1815 winterte es auf dem Grossen St. Bernhard ( 2478 m ) noch nie so früh ein wie 2 Tage Tage später des eben genannten Jahres. Der zweitfrüheste Winterbeginn im hintern Witenwasserental fällt bereits auf den 3. Oktober 1944. Im Gegensatz dazu schneite es 1954 erst am 15. November ein. Als zweitspätestes Datum ist das sonst wenig rühmliche 1965 mit dem 4. November zu erwähnen. Im Durchschnitt ist bei unserm Pegel der Sommer am 20. Oktober zu Ende. Auf dem höchsten Alpstein nimmt der Winter seinen langandauernden Wohnsitz am 14. Oktober ( 1900-1950 ). Es sei erwähnt, dass wir hier - und schon einige Male vorher - bei unsern Vergleichen nicht dieselben Zeiträume einander gegenüberstellen. Das gibt, streng genommen, auch nicht genau miteinander vergleichbare Resultate. Die sich daraus ergebenden Differenzen sind aber nicht von wesentlichem Ausmasse. Die frommen Patres auf dem Grossen St. Bernhard müssen der weissen Jahreszeit ( 1820-1950 ) am 21. Oktober den Einzug gestatten. Fügen wir noch die entsprechenden Werte von 1900-1940 der ehemaligen Regenmessstation Fort Furka ( 2409 m ), rund 140 m oberhalb des Hotels « Belvédère » am Rhonegletscher bei, so sehen wir, dass dort der Winter am 22. Oktober beginnt, und auf dem Gotthard-Hospiz ist es ( 1860-1960 ) der 29. Oktober. In Andermatt war man froh, dass der Winter im soeben genannten Zeitabschnitt im Durchschnitt erst am 21. November Einzug hielt. Um für den weitern Vergleich im Gotthard-Gebiet zu bleiben: das Vordringen der permanenten Schneedecke von der Rotondohütte zum Gotthard hinab, bei 480 m Höhenunterschied, nimmt 9 Tage in Anspruch; das sind 53 m pro Tag. Um aber nachher das Urserental zu erreichen ( 651 m tiefer ), werden 23 Tage benötigt; das macht 28 m pro Tag, also nur noch knapp die Hälfte. Nichts dokumentiert die ungleiche Geschwindigkeit deutlicher, mit welcher der Winter sein Gebiet wieder besetzt, als diese wenigen Angaben.

Werfen wir gleichwohl noch einen Blick hinter die Kulissen der « Grosswetter-Küche »! Verfolgen wir den durchschnittlichen Gang des Luftdruckes einer Schweizer Station ( wir wählen Bern, dessen Tagesmittel über 50 Jahre sinngemäss auch für einen sehr grossen Teil des Landes gelten ), so kommen wir zu folgenden Erkenntnissen: Am 12.Oktober erreicht der Barometerstand mit dem Wert von 714,55 mm einen ausserordentlich hohen Betrag, welcher nur noch von einigen wenigen Kalendertagen übertroffen wird. Das ist das oft herrlich klare und milde Wetter in den Bergen, mit Morgennebeln in den Niederungen. Bereits am 28. Oktober zeigt sich mit 709,55 mm die « Kehrseite der Medaille ». Es gibt nur einige wenige Tage mit noch geringerem mittlerem Luftdruck. Das ist auch die Zeit, wo die atlantischen Depressionen wieder tiefer in den Kontinent eindringen, indem den Föhnphasen die sozusagen obligatorischen Abkühlungen nachfolgen. Diese bringen gelegentlich den Niederungen schon den ersten kurzen Winterbesuch. Darüber lässt schon Schiller in seinem « Teil » Ruodi im ersten Akt sagen: « s ist heut Simons und Judä, da rast der See und will sein Opfer haben. » Vom gleichen Tag - es ist der 28. Oktober - sagt die Bauernregel, welche, was die « Poesie » anbelangt, ganz sicher nicht vom Sänger Teils stammt: « Simon und Judä, die hängend Schnee an d'Studä » ( Prätigau ?). Die Andermatter, welche Kilbi am 4. Sonntag im Oktober ( 22.28 .) feiern, müssen gemäss langjähriger Erfahrung mit rund 40 % Wahrscheinlichkeit den ungeladenen Winter mit in Kauf nehmen. Bis zum B. November geht die Aussicht auf Schnee trotz der unentwegt rasch winterwärts schreitendenden Zeit um rund V5 zurück.

Vorhin fiel das Wort Föhn. Wenn man in den Tälern der Ostschweiz den « Föa » als Traubenkocher zum mindesten rühmt, überall als Brandstifter fürchtet, ihm ( und nur ihm !) Wunder hinsichtlich Schneeschmelze zuschreibt, so gibt es in unserm Gebiet keinen oder gar keinen Anlass, ihn auf das Piédestal zu stellen. Sein Auftreten bedeutet hier, wo wir uns nur etwa 1 x/2 km von der Tessiner Grenze weg befinden, schlechtes Wetter mit Niederschlag. Bekanntlich geht sowohl im Frühling wie im Herbst, zu einer Zeit, in welcher der ungestüme Geselle besonders gern anrückt, der Regen - wenn es überhaupt regnetmeist in Schneefall über. Damit wird die Ablation bei unserer Hütte klar auf die schönen Tage verwiesen, welche hier im Juni und Juli häufiger sind als in den Voralpen ( sekundäre Niederschlagsminima auf dem Gotthard; nassester Monat = Juli auf dem Säntis ).

Am Tage des durchschnittlichen Einschneiens besteht - analog dem Ausapern - bereits eine gewisse durchschnittliche Schneemächtigkeit. Sie beträgt, überall von 1900-1950:

Rotondohütte ( 2575 m23 cm ( 1940-1965 ) Säntis ( 2501 m24 cm Grosser St. Bernhard ( 2478 m ) 18 cm Gotthard ( 2095 m22 cm Andermatt ( 1444 m21 cm Und hier einige Stationen, wo es nicht mehr alle Jahre einschneit:

Göschenen ( 1107 m27 cm Guttannen ( 1055 m24 cm Gurtnellen ( 739 m13 cm Bern ( 572 m5 cm Also: um 20-25 cm in den alpinen und montanen Regionen, nachher rasche Abnahme. Allgemein weniger grosse Werte als beim Ausapern.

Nach all dem Gesagten verwundert es nicht, dass diese Höhe nur ganz ausnahmsweise die dem apern Boden weiter oben beschriebene gefährliche Hürde von Ende Oktober ohne Schnee nehmen wird. In 25 Jahren ereignete sich das Einschneien im November nur dreimal.

Wenn wir uns noch die letzte Frage stellen wollen, warum es - immer wieder im langjährigen Durchschnitt - an einem bestimmten Tage einschneie, so kann folgendes erwähnt werden: Für das Zustandekommen einer Schneedecke braucht es Niederschlag und eine Temperatur, welche zum mindesten gegen 0° geht. In unserm Klima haben alle in Frage kommenden Tage hinreichend Niederschlag, um zur Bildung von Schnee zu führen. Für Gotthard und Andermatt geht am Tage des durchschnittlichen Einschneiens die Temperatur um 13.30 Uhr zum ersten Male unter 0°. Beim Grossen St. Bernhard und beim Säntis bleiben noch 1 y20. Nach Vergleich mit den Angaben vom Gotthard würde beim Pegel der Rotondohütte am 20. Oktober, mittags, ungefähr mit 3/4° Wärme - als Mittelwert - zu rechnen sein.

Die Frage Einschneien/Mittagstemperatur in den hochalpinen Lagen bedarf indessen noch einer eingehenderen Überprüfung, da möglicherweise noch nicht alle Faktoren gebührend berücksichtigt worden sind.

Der Hochwinter Nach dem Einschneien folgt normalerweise ein anhaltender Schneezuwachs. Im in der Regel trockensten Monat des Jahres, dem Februar, zeigt sich wahrscheinlich ein merkliches Verlangsamen des Schneehöhen-Anstieges. Mit dem erneuten allgemeinen Aufkommen der atlantischen Störungen im März, welche wiederum zur Bildung von Föhnlagen führen, ist auch mit vermehrten Niederschlägen zu rechnen, welche hier oben sozusagen nur als Schnee fallen, und dies besonders im April.

Damit wären wir wieder an unserm Ausgangspunkt angelangt und werfen nun einen Blick aufs Ganze: Vom Einschneien ( 20.Oktober ) bis zum Maximum ( 5.Mai ) vergehen 198 Tage. Bis zum Ausapern ( 20. Juli ) dauert es aber bloss 76 Tage, d.h. diese Zeit beträgt nur rund 38 % der Schnee-höhen-Zunahme. Für den Gotthard lautet der diesbezügliche Wert 40% und für Andermatt 45 %. Steigen wir noch weiter hinab, so werden Zunahme und Rückgang des Schnees mehr und mehr gleich lang, was schon die drei genannten Werte andeuten. Auf dem Jungfraufirn ( 3350 m ) aber beträgt das analoge Verhältnis 298:67, oder nur noch 22%.

Ostern Ungeachtet der sich ständig mehrenden Transportgelegenheiten für den Skifahrer wird namentlich während der Osterfeiertage die Rotondohütte stark besucht. Am Anfang dieser Arbeit steht, dass am Ostersonntag der verflossenen 25 Jahre mit einer Schneehöhe von gerade 3 m zu rechnen war. Das Minimum lieferte 1949 ( 17. April ) mit nur 70 cm, während sich der Höchstwert der Ostern 1945 ( 1. April ) auf 530 cm bezifferte. Schon die zweittiefste Angabe aus dem Jahre 1957 ( 21. April ) beläuft sich auf 150 cm. Die Skitouristen müssen demnach nicht befürchten, es könnte einmal um Ostern zu wenig Schnee vorhanden sein. 1949 war auch auf dem Gotthard-Hospiz seit 1860 sicher der schneeärmste Winter bis auf den heutigen Tag. Seit dem Bestehen der Strasse ( 1830 ) war diese an Ostern 1949 zum ersten und einzigen Male dem Rad geöffnet.

Schiuss Zurückblickend dürfen wir feststellen, dass mit verhältnismässig geringem Aufwand manch Wissenswertes aus dem umfangreichen Kapitel « Schnee » ermittelt werden konnte und dass damit doch ein ganz respektables Vergleichsmaterial zusammengetragen worden ist. Die Resultate dürfen als annähernd richtig bezeichnet werden, da sie sich alle in gewisse Gesetzmässigkeiten einordnen lassen. Es sei nebenbei bemerkt, dass die vielen Vergleiche mit andern Örtlichkeiten nur deshalb erfolgen konnten, weil das umfangreiche Material hierüber zuerst zusammengetragen, geprüft und berechnet wurde, wobei jede Einzelarbeit selbst erfolgte. Es kann ja nicht Aufgabe einer noch so grossen Anstalt bzw. eines Institutes sein, solche SpezialUntersuchungen anzustellen, da sie weitgehendst ausserhalb ihres grossen sonstigen Aufgabenkreises liegen. Es dürfte auch leicht ersichtlich sein, dass sich die vielen Zahlen - vielleicht waren es diesem oder jenem geduldigen Leser zu vielenur im Verlaufe längerer Zeit erhalten liessen und sich unmöglich erst nach Ablauf der 25jährigen Beobachtungszeit unseres Pegels ( November 1965 !) noch rasch hätten bereitstellen lassen.

Ich komme nun zum Schluss gern der angenehmen Pflicht nach, der Direktion der Meteorologischen Zentralanstalt herzlich für die Erlaubnis zu danken, jederzeit, seit Jahren, Einsicht in die nicht in extenso publizierten Aufzeichungen der von mir benötigten Stationen nehmen zu dürfen. Es freut mich ferner, meinem Studienfreund, Herrn Dr.Th.Zingg, Eidgenössisches Institut für Schnee-und Lawinenforschung, Weissfluhjoch/Davos, und Herrn Ing. P. Kasser und dessen Mitarbeiter, Herrn M. Aellen, vom Eidgenössischen Glaziologischen Institut an der ETH, für zur Verfügung gestelltes Material vielmals danken zu können.

Nun möchten wir uns aber nicht mit den erhaltenen Ergebnissen zufrieden geben, sondern mit Tatkraft in das beginnende zweite Vierteljahrhundert schreiten. Es scheinen alle guten Bedingungen hiefür vorhanden zu sein: ein tüchtiger Hüttenwart und in der Person von Herrn M. Rossé, Baden, ein sehr bereitwilliger und liebenswürdiger Hüttenchef einer ebensolchen Sektion. Sicher darf ich auch wiederum auf die Mitarbeit vieler Hüttenbesucher zählen, die den kurzen Weg zum Pegel nicht scheuen, um ihre Ablesung einzutragen. Ihnen allen herzlichen Dank zum voraus!

- Und der SchneeDen wird uns Petrus auch weiterhin besorgen!

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