Katherine Choong gewinnt in Valence
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Katherine Choong gewinnt in Valence 24 Stunden mit der Kletter-Jugendweltmeisterin

Die 17-jährige, zierliche Katherine Choong gewann Ende August die Junioren-Weltmeisterschaft im Lead-Klettern – eine Sensation. Was geht in einer Athletin vor, wenn sie an einem Wettkampf auf so hohem Niveau teilnimmt? Wie geht sie mit den Stress um? Katherine Choong liess uns in Valence an ihrem wohl bislang wichtigsten Tag ihrer Kletterlaufbahn teilhaben.

Katherine Choong weiss genau, was sie will: So hoch hinauf wie möglich. Und wenn sie etwas will, kann sie stur sein. Als sie an der Jugendweltmeisterschaft im Klettern vom 27. bis 30. August in Valence teilnimmt, visierte die ehrgeizige Athletin den ersten Platz in der Kategorie Juniorinnen an.

28. August, 20.00 Uhr

Es beginnt gut. Der erste Tag der Qualifikation ist vorbei. Katherine Choong war zusammen mit den acht Athleten ihrer Delegation am Vorabend in Valence angekommen. Die Resultate sind hervorragend: Sechs der acht qualifizieren sich für die Halbfinals.

Während das Team auf einer Terrasse sitzt und auf das Nachtessen wartet, zeigen die Coaches Videos der Einsätze. « Es war ziemlich einfach », kommentiert Katherine, die in ihrer Kategorie gewann, und zeigt gleich Respekt vor der Konkurrenz: « Es hat sehr gute Athletinnen dabei, die ich noch nie gesehen habe. Aber ich versuche, mir nicht zu viele Gedanken zu machen. Ich werde noch genügend Druck verspüren, wenn ich vor der Wand stehe !» Die Mitglieder des Das WM-Fieber packt Valence (F): Mit einem fröhlichen Umzug präsentieren sich die Teams, hier die Schweizer Delegation, insgesamt rund 500 junge Athleten sind angereist.

Schweizer Teams sind zeitig zurück im Hotel. Am nächsten Tag finden die Halbfinals und die Finals statt. Um 21.30 Uhr verschwinden sie in ihren Zimmern.

29. August, 8.30 Uhr

Alle beim Frühstück. Katherine Choong ist still: « Ich bin noch nicht richtig wach. Aber das ist bei mir jeden Morgen so!» «Stress ?» – «Nein, es geht, ich bin ruhig.» Nach Kaffee und Butterbrot drängen die Trainer zum Aufbruch. Die Athletinnen und Athleten zwängen sich mit ihren Sachen in den Bus, Abfahrt in die Kletterhalle. Während der Fahrt ist es still. Jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach. Jetzt gilts ernst.

10.30 Uhr: Isolation

Nach ihrer Ankunft begeben sich die Schweizer in den Isolationsraum. Handys sind verboten, ebenso jeder andere Kontakt mit der Aussenwelt. Diese Regel soll verhindern, dass Informationen über die Routen durchsickern. 39 Länder sind an dieser Weltmeisterschaft vertreten, rund 500 Athleten tummeln sich auf dem Gelände. Entsprechend viele Leute befinden sich in der grossen, ziemlich düsteren Isolationshalle mit ihrem Boden aus Beton und den Wänden aus Metall. Stimmengewirr füllt den Raum, eine Mischung aus Gesprächen und Gelächter. Ab und zu ertönt ein dumpfes Geräusch, wenn ein Kletterer auf eine der Matratzen stürzt, die unter den Übungswänden liegen.

Der imposante Wettkampfsaal: In der Vorrunde klettern immer mehrere Athletinnen gleichzeitig.

Am meisten Zeit verbringen die Elitekletterer in der Isolation. Katherine Choong vertreibt sich die Zeit mit Kartenspielen oder Lesen. Die Anspannung bleibt.

11.00 Uhr: Warten

Jeder und jede versucht, sich so gut wie möglich die Zeit zu vertreiben. Einige wärmen sich auf, andere diskutieren oder spielen Karten. In diesen Momenten spricht Katherine gern mit anderen Kletterern und Trainern. Ansonsten hört sie Musik auf ihrem iPod oder schmökert in einem Buch. Diesmal hat sie einen grossen Klassiker von Molière mitgebracht. « Der ist für die Schule! Er bringt mich auf andere Gedanken !», sagt sie. Die von den Schweizern begonnene Pokerrunde wird plötzlich unterbrochen: Die Frauen werden aufgerufen und können nun die Route studieren. Die Athletinnen haben genau sechs Minuten Zeit, um sie zu analysieren und sich einzuprägen. Katherine kommt nachdenklich zurück: « Es sieht schwer aus. Es hat viele kleine Griffe am Anfang, aber ich weiss noch nicht genau, wie ich die Route anpacken soll.» Sie diskutiert mit ihren Landsleuten über die beste Strategie. Dann beginnen die Frauen, sich aufzuwärmen.

14.30 Uhr: Halbfinal

Als Katherine Choong endlich mit Klettern beginnen kann, hat sie keine Ahnung, wie ihre Mitkonkurrentinnen abgeschnitten haben. Nur die acht besten qualifizieren sich für den Final. Als die Jurassierin vor der Kletterwand steht, wirkt sie absolut entspannt und konzentriert. Sie klettert mit verblüffender Leichtigkeit und erreicht ohne grosse Schwierigkeiten den höchsten Punkt. Damit qualifiziert sie sich für die Finals. So wie ihre Kameradinnen Amanda Rohner und Manuela Sigrist. Drei Finalplätze bei den Jugend-A-Damen, das ist aus gezeichnet für die achtköpfige Schweizer Delegation. Die Trainer Lukas Iseli und Robi Rehnelt sind stolz auf ihre Schützlinge.

19.00 Uhr: Final

Die drei Finalistinnen haben kaum Zeit, etwas zu essen, bevor sie erneut im Isolationsraum abgeschirmt werden, wo sie auf den Final warten müssen. Die Spannung steigt spürbar. Für die Finals ist das Publikum zahlreich erschienen, die Temperatur in der Halle steigt entsprechend. Die Lichter gehen aus, und auf den Gross-bildschirmen läuft der Countdown: In fünf Minuten beginnt der Final. Musik in voller Lautstärke und eine Lichtshow leiten den Showdown in einer knisternden Atmosphäre ein.

21.00 Uhr: Entscheidung

Die Frauen starten vor den Männern. Mit warmem Applaus begrüsst das Publikum die Athletinnen, die einzeln aufgerufen werden, um ein Ehrenspalier abzuschreiten und sich vor der Kletterwand zu präsentieren. « So etwas habe ich noch nie erlebt », wird Katherine wenig später bewegt sagen. Nach dieser Vorstellung studieren die Finalistinnen die Route, dann müssen sie in die Isolation zurück. Katherine ist als Sechste dran. Als sie an der Reihe ist, wirkt sie immer noch sehr konzentriert. Sie klettert los, erreicht den Punkt, bis zu dem ihre Konkurrentinnen gekommen sind – und klettert daran vorbei! Einfach weiter. Das Publikum johlt und feuert sie an. Erst kurz vor dem Ende der Route stürzt die Jurassierin. « Alles klappte so, wie ich es mir ausgedacht hatte. Je höher ich stieg, desto schwieriger wurde es mit der Kraft. Jeder Zug war schmerzhaft. Aber ich sagte mir, bloss nicht loslassen! Ich war sicher, dass ich das Ende erreichen würde. Aber dann spürte ich, wie die Finger abrutschten, ich fiel. » Dennoch: Im Moment ist sie die Beste in ihrer Kategorie. Die verbliebenen Konkurrentinnen sind sehr stark – am Ende aber nicht stark genug, um Katherine Choong zu übertreffen. Die Schweizerin bleibt die Beste. « Es ist verrückt. Ich war sicher, dass die beiden Französinnen nach mir höher klettern würden. Die letzten 15 Minuten waren die längsten meines Lebens », platzt es aus ihr heraus. Ihre Kameradinnen umarmen sie, sind stolz. « Du bist zu gut! Redest du überhaupt noch mit uns ?», scherzen sie. Die Jurassierin lacht, sie scheint ein wenig überfordert. Einige möchten ein Autogramm. Minuten später, auf dem Podest, strahlt ihr Gesicht Freude aus, mal verhaltener, mal überschwänglicher.

0.00 Uhr: Party

Zurück im Hotel schlürft das glückliche Team Champagner und feiert den Erfolg. Morgen gehts zurück in die Schweiz, und am Montag beginnt wieder die Schule. Doch im Moment sind alle überwältigt von Emotionen und Müdigkeit. Choong realisiert nicht richtig, was sie geleistet hat: « Ich bin rundum glücklich », kommentiert sie einfach. Sicher ist: Diese Goldmedaille gibt ihr Mumm, um weiterzuklettern, höher und höher. a Nathalie Getz, Chamoson Weltmeisterin der Jugend A: Die 17-Jährige Jurassierin hat eine Sensation geschafft.

Kurzbiografie

Katherine Choong kommt am 1. Januar 1992 in Glovelier ( JU ) zur Welt. Im Alter von sieben Jahren entdeckt sie das Klettern, aber erst mit zwölf Jahren beginnt sie ernsthaft zu trainieren. Die guten Resultate in den Wettkämpfen motivieren sie zum Weitermachen. Neben der Schule widmet sie im Moment zehn bis zwölf Stunden pro Woche dem Training und fährt dafür jede Woche nach Bern oder Zürich. Aber ihre Leidenschaft stellt sie nicht über die Schule: « Solange ich gute Noten in der Schule habe, lassen mich meine Eltern weitermachen. » Das Leben als Sportlerin fordert ihr einige Opfer ab, « aber es geht noch. Wenn das Klettern aber zu viele Opfer verlangen würde, würde ich aufhören. »

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