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Wie mit angezogener Bremse Skitourenrennläuferin Marianne Fatton ist zurück

Die Neuenburgerin Marianne Fatton ist diesen Winter in den Skitourenrennwettkampf zurückgekehrt, nachdem sie eine Saison wegen eines Übertrainingssyndroms aussetzen musste. Sie berichtet von dieser Zwangspause, die sie als Sprungbrett genutzt hat, um wieder auf die Beine zu kommen.

Im November jubelte Marianne Fatton, als sie beim ersten Weltcuprennen der Saison in Val Thorens auf den zweiten Platz kam. Ein gutes Zeichen nach einer ganzen Saison ohne Wettkampf. «Für mich war es schon ein Sieg, überhaupt teilnehmen zu können. Dieser Podestplatz hat mir gezeigt, dass ich meine Form wiedergefunden habe.» Ein Jahr zuvor sah sie schwarz. Im Sommer hatte sie reihenweise Bergtouren und Trailrunning-Wettkämpfe absolviert, dann begann sie eine Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule. Der 26-jährigen Sportlerin fehlte die Zeit für das Training. Prüfungen und Arbeiten, die vor Weihnachten fällig waren, setzten sie unter Druck. Mitte Dezember musste sie im Einzelrennen in Ponte di Legno aufgeben. «Ich führte diesen Misserfolg auf mangelndes Training zurück.» Aber sie fühlte sich schon seit einiger Zeit beim Sport nicht gut. «Ich hatte keinen Appetit mehr, beim Training wurde mir übel und schwindlig. Ich hatte das Gefühl, mit angezogener Bremse unterwegs zu sein, ich schaffte es nicht mehr, Gas zu geben.» Doch die Ärzte konnten nichts Ungewöhnliches feststellen. Ihrer Meinung nach war Marianne bei bester Gesundheit. Also trainierte sie weiter und war schliesslich ausserstande, im Januar 2022 an den Schweizer Meisterschaften in Morgins teilzunehmen.

Ein Hilferuf

Verzweifelt wandte sich die Neuenburgerin an das Swiss Olympic Medical Center im Universitätsspital in Lausanne. Dort stellte der Sportwissenschaftler Cyril Besson bei ihr die Anzeichen eines Übertrainingssyndroms fest, einer Erkrankung, die rund 60% der Athleten im Laufe ihrer Karriere trifft, im Besonderen Ausdauersportler, auch wenn sie nur Amateure sind. Das Hauptsymptom ist eine Erschöpfung, die sich langsam aufbaut und über mehrere Wochen und sogar Monate anhält. «Es handelt sich nicht um eine normale Erschöpfung, die mit dem Rhythmus von Training und Erholung zusammenhängt, sondern um eine Erschöpfung, die sich aus einer übermässigen Trainingsbelastung mit unzureichenden Erholungszeiten entwickelt», erklärt Cyril Besson. «Das ist auch anders als ein Burn-out, bei dem die Erschöpfung mit einem Verlust von Interesse am Sport auftritt», präzisiert der Experte, «aber man muss die Belastung sehr schnell und genau anpassen.»

Andere psychische und soziale Faktoren wie Stress in der Familie, am Arbeitsplatz, bei Prüfungen oder durch den Druck der Medien können hinzukommen. Als Beispiel nennt Cyril Besson den Missbrauch von Social-Media-Plattformen wie Strava, in denen man eigene Trainingsleistungen mit anderen teilen kann. Wenn Sportler zu viel leisten, um die Community zu beeindrucken, können sie in eine Spirale des Übertrainings geraten.

Auf den eigenen Körper hören

Für Marianne war die Diagnose eine Erlösung. «Ich war erleichtert, dass mich endlich jemand verstand.» Trotz der Zwangspause hoffte die Neuenburgerin, bald wieder an Wettkämpfen starten zu können, aber sie musste den Tatsachen ins Auge sehen. «Ich durfte im Training eine Herzfrequenz von 110 nicht überschreiten, was etwa dem normalen Gehen entspricht.» Für Marianne, für die der Wettkampf ein Antrieb ist, war das schwierig, aber sie musste lernen, besser auf ihren erschöpften Körper zu hören. Cyril Besson hatte dabei die Rolle eines Vermittlers. «Man muss ein Geflecht aus Gewohnheiten durchbrechen, das sich über Jahre aufgebaut hat.»

Parallel zu ihrer Behandlung am Universitätsspital befolgt Marianne seit Mai 2022 die Trainingspläne, die ihr Lebensgefährte Maxime Brodard, ein ehemaliger Athlet des SAC Swiss Teams, für sie erstellt. Beim Konditionstraining begleitet sie Jean-Philippe Fartaria, der Trainer der Elitenationalmannschaft. Die beiden Trainer passen in Absprache mit Cyril Besson die Trainingsbelastung an und legen den Schwerpunkt auf die Erholung. «Das Schwierigste war, sie dazu zu bringen, das Tempo zu reduzieren», berichtet Jean-Philippe Fartaria. Im Sommer musste sie auf die langen Bergläufe verzichten, die sie so liebt. «Ich habe nur eine einzige Bergtour unternommen, auf die Dent Blanche», erinnert sie sich.

Im September hatte Marianne bei einem Trainingscamp wieder ein gutes Gefühl. Ihr Selbstvertrauen kehrte zurück. Das erste Weltcuprennen der Saison in Val Thorens rückte in greifbare Nähe.

Sich selbst hinterfragen

Beim Besuch bei Marianne Fatton war die Skitourenrennensaison in vollem Gang. Die Neuenburgerin wurde immer noch von Cyril Besson betreut. Die Erschöpfung schien überwunden, doch Marianne wusste, dass sie sich weiterhin schonen musste. Nach ihrem zweiten Platz in Val Thorens im November wurde sie Anfang Februar beim Weltcuprennen in Morgins Vierte im Sprint, nachdem sie zuvor auf zwei andere Weltcuprennen verzichtet hatte. Und dann gelang ihr die Sensation: Drei Wochen später wurde sie in den spanischen Pyrenäen Vizeweltmeisterin im Sprint.

Es scheint, dass die Zwangspause bei Marianne Fatton Früchte tragen. «Sie hat es mir ermöglicht, mich zu hinterfragen und meine Prioritäten neu zu setzen.» Sie hat ihre pädagogische Ausbildung abgebrochen, die mit ihrer Karriere als Skitourenrennläuferin nicht vereinbar war, und stattdessen ein Masterstudium in Business Communication an der Universität Freiburg aufgenommen. Zudem ist sie dem Programm der Schweizer Armee für Elitensportler beigetreten. «Ich habe gelernt, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, gesund und glücklich zu sein, sondern eine Chance», schliesst sie. «Ich bin dankbarer geworden.»

Autor / Autorin

Alexandre Vermeille

Diagnose des Übertrainingssyndroms

Grosse Erschöpfung, Schlaf- und Appetitstörungen, ein geschwächtes Immunsystem, Muskel- oder Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Angstzustände, Schwindel und unregelmässige Menstruationszyklen bei Frauen sind Symptome, die auf ein Übertrainingssyndrom hinweisen können. Sie reichen jedoch für eine Diagnose nicht aus. «Wenn es keine spezifischen Marker wie Mangelerscheinungen gibt, ist auch eine Blutanalyse ungenügend», erklärt Cyril Besson, Sportwissenschaftler am Swiss Olympic Medical Center des Universitätsspitals Lausanne. Er legt den Athleten deshalb einen speziellen Fragebogen vor und führt eine Analyse der Herzfrequenzvariabilität (HFV) durch. Dabei wird die Herzfrequenz morgens nach dem Aufwachen gemessen. «Anomalien können auf ein Ungleichgewicht im autonomen Nervensystem hinweisen», sagt Cyril Besson. Dann müssen die Ursachen dieser Störungen ermittelt werden. Ein Trainingstagebuch könne dabei hilfreich sein, da es Auskunft über die Trainingsbelastung und die Erholungsphasen gäbe. «Wenn man bereits am Limit ist, kann zusätzlicher Stress zu Übertraining führen.»

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