Stets zu Diensten | Schweizer Alpen-Club SAC
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Stets zu Diensten

Und plötzlich kam ich mir vor, als sei ich berühmt wie Reinhold Messner. Es war im Mont-Blanc-Gebiet, wir kletterten über den Cosmique-Grat zur Bergstation auf der Aiguille du Midi (3842 m). Am Ende führt eine Metallleiter zu einer Aussichtsplattform, auf der sich Touristenscharen aus aller Welt tummeln. Viele von ihnen haben noch nie in ihrem Leben Schnee oder gar Gletscher gesehen. Sie können kaum genug davon bekommen, sich in allerlei Posen vor dieser grandiosen Kulisse zu fotografieren. Wenn aber Alpinistinnen und Alpinisten vom Grat über die Leiter auf die Terrasse steigen, richten sich alle Augen auf sie.

Ich wurde mit einem Applaus empfangen, und die Leute bestürmten mich, ein Selfie mit mir machen zu dürfen. Überrumpelt stand ich in der Hochtourenmontur da, die Steigeisen noch an den Schuhen – und wusste nicht, wie mir geschieht. Ähnliches erlebte ich später auch an anderen Orten, wo sich viel Publikum in der Nähe einer Bergstation aufhält. Etwa auf dem Stockhorn, der Diavolezza oder dem Klein Matterhorn. Auf dem Jungfraujoch stand ich einer asiatischen Gruppe zu Diensten. Fürs Selfie drückte ich ihnen meinen Pickel in die Hand. Sie jubelten und wollten mir zum Dank Geld geben.

Typisch Touristen? Na ja. Einheimische stehen ihnen in Sachen Euphorie nicht viel nach. In einem verschlafenen Bündner Dörfchen kehrten wir einmal vom Eisklettern zurück zum Parkplatz. Eine ältere Einheimische kam auf uns zugerannt. Zuerst dachten wir, wir hätten falsch parkiert. Aber es stellte sich heraus, dass sie uns von ihrem Küchenfenster aus beim Klettern beobachtet und fotografiert hatte. Und nicht nur das: Sie hatte ihre Bilder bereits auf Facebook gepostet. Stolz zeigte sie die Reaktionen: schon zwei «Gefällt mir»-Angaben!

Inzwischen fühle ich mich nicht mehr überrumpelt, wenn ich nach einer Bergtour für ein Selfie angehauen werde. Im Gegenteil: Es verwirrt mich eher, wenn niemand fragt, so wie kürzlich auf dem Mittel Allalin.

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