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Mann der digitalen Hütten

Walter Böni träumte einst vom Hüttenwartsberuf. Mit der Plattform sentiero.ch hat sich der ehemalige Informatiker eine «digitale Hütte» geschaffen, die er vom Tal aus betreiben kann.

Wer schon einmal online nach Jobs in Berghütten gesucht hat, kennt sie wahrscheinlich: die Plattform sentiero.ch. Das Portal hat sich seit seiner Lancierung im Jahr 2006 zur wichtigsten Schweizer Webadresse für die Stellenvermittlung oberhalb der Baumgrenze entwickelt. Zunächst ging es Initiator Walter Böni jedoch um etwas anderes. «Als ich den Hüttenwartskurs des SAC besuchte, stellte ich fest, dass es keine zentrale Plattform rund um die Bewartung gibt», sagt der 61-Jährige.

Er fand es verrückt, dass sich jeder neue Hüttenwart sein Wissen selbst erarbeiten musste, seien es Arbeitsverträge, Einkaufslisten oder Koch-Know-how. Walter Böni fackelte nicht lange: Innerhalb von wenigen Monaten lancierte er eine Website, sammelte akribisch Informationen, verschickte Hunderte von Mails. «Meine Triebfeder war, den Bedürfnissen der Hüttenwarte nachzukommen», erklärt der drahtige Mann mit den wachen Augen.

Einsamkeit statt Gipfelerlebnis

Eine Berghütte führte der seit drei Jahren frühpensionierte Informatiker nie. Dafür kommt bei ihm zu Hause Hüttenfeeling auf: Jeden Tag verbringt Walter Böni zwei bis drei Stunden am Computer, um die Inhalte auf sentiero.ch à jour zu halten. Vorwiegend sind es Jobanzeigen, die er aufschaltet, zudem Mietinserate privater Hüttenbesitzer. «Als ich kürzlich zwei Wochen in Frankreich in den Ferien war, hatte ich nach meiner Rückkehr 92 E-Mails abzuarbeiten», erzählt er.

Mittlerweile sei die Plattform ein Selbstläufer. Die Arbeit daran empfindet er nach wie vor als erfüllend. Auch weil er im Laufe der Zeit eine Menge Leute kennengelernt hat. «Im Sommer besuche ich nach Möglichkeit Hütten, um die Hüttenwarte persönlich zu treffen», erzählt er. Walter Böni ist sportlich, fährt viel Velo, ist früher Gleitschirm geflogen, ist aber kein «Monsteralpinist», wie er sagt. Gipfel interessieren ihn nicht besonders, er sucht in den Bergen die Ruhe und die Einsamkeit. Aus diesem Grund ist der im Kanton Zürich aufgewachsene Hüttenfreund und passionierte Fotograf gemeinsam mit seiner Partnerin im letzten Jahr an den Rand der Schweiz gezogen: nach Ramsen im Kanton Schaffhausen. Er bewohnt dort ein 400-jähriges Haus mit hohen Stuckdecken und Eichenholzdielen inmitten von Feldern und Wäldern; die deutsche Grenze ist nur einen Katzensprung entfernt.

Gelegenheiten beim Schopf packen

«Mein Leben wird durch Zufälle bestimmt», sagt Walter Böni, der eine Malerlehre absolvierte, als Lastwagenchaffeur und auf dem Bau arbeitete und schliesslich Informatiker bei einer Bank wurde. In seinem neuen Wohnort Ramsen hilft er beispielsweise samstags auf dem Werkhof mit. Unentgeltlich. «Ich lerne gerne Leute kennen und bekomme so etwas zurück», sagt er. Freiheit ist ihm wichtig – aus diesem Grund trat er nach wenigen Jahren wieder aus dem SAC aus.

Die Berghütten stünden bei sentiero.ch im Fokus, nicht ein Verein. «Ich will unabhängig und flexibel bleiben, ich bin kein Vereinsmensch», sagt der Autodidakt, der im letzten Jahr angefangen hat, Filme über Hütten zu drehen und online zu stellen. «Wenn mich etwas interessiert, bin ich wie besessen», sagt er. Bestätigung gebe ihm, dass er etwas bewirken könne und positives Feedback bekomme. Seine Agenda hält er bewusst leer. «Ich weiss nicht, was morgen ist», sagt der Allrounder und betrachtet durchs Fenster den dämmrigen Himmel.

Das Abendprogramm steht bereits: Sobald es dunkel geworden ist, besucht Walter Böni seine «digitale Hütte», bei der es jeden Tag etwas zu tun gibt.

Serie Freiwilligenarbeit

Laut Benevol, der Dachorganisation für Freiwilligenarbeit, übernehmen vier von zehn Menschen in der Schweiz Freiwilligenarbeit; insgesamt leisten sie jährlich 660 Millionen Stunden ­unbezahlte Arbeit. Auch in den Bergen und im Bergsport sind solche Einsätze unverzichtbar. Viele Hel­ferinnen und Helfer sind in den SAC-Sektionen tätig. Diese Serie widmet sich ­Menschen, die sich freiwillig und mit viel Herzblut engagieren.

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