© Fragmentin
Manchmal tut die Vision weh Gewinner des SAC-Kunstpreises stellt in Bern aus
Werden in 200 Jahren noch Spuren in den Bergen an die jetzige Generation erinnern? Das Alpine Museum Schweiz stellt Arbeiten des Künstlerkollektivs Fragmentin aus. Wer sind die Kreativen aus Lausanne, die im Januar den SAC-Kunstpreis gewonnen haben?
Ein Kunstpreis ist immer etwas Besonderes. Beim SAC-Kunstpreis zeigt sich das darin, dass er nur alle drei Jahre verliehen wird. Und er veranschaulicht, wie aussagekräftig Kunst in Bezug auf den Alpinismus sein kann. Schlicht sind die Berge, anspruchsvoll ist der Mensch. Fragmentin hat dazu ein skurriles Objekt entworfen, bei dem man sich ein bisschen anstrengen muss, um es zu verstehen.
Fragmentin, das dreiköpfige Ensemble aus Lausanne, blickt auf bemerkenswerte erste neun Jahre zurück. Es hat seit seiner Gründung viele Preise gewonnen, grosse und kleine, denen immer ein tiefgründiger Gedanke und Kreativität zugrunde lagen. Spätestens seit der Wetterskulptur The Weather Followers (2017) sind Laura Nieder, David Colombini und Marc Dubois auch immer wieder mit der Natur in Berührung gekommen. Damals war es diese tinguelyhafte Maschine, die sich mit einer App verbinden liess und sich in das Leben der Nutzer schlich. Je nach Verschmutzungsgrad veränderten sich dann deren Selfies, oder die abgespielte Musik erklang im Rhythmus des Regens.
Simulierter Fund
Jetzt hat Fragmentin seine Verbundenheit zur Umwelt eine neue Auszeichnung eingebracht. Der SAC-Kunstpreis basiert auf der letzten Arbeit Global Wiring, einem scheinbar vereisten Gletscherkern, einem futuristisch anmutenden Stab, der oberhalb von Verbier steht und dort bis 2024 anzuschauen ist. Es ist ein Kunstgebilde, das einen Fund aus der Archäologie der Zukunft simuliert und aus recyceltem Glas und Abfallmaterial besteht. Das Westschweizer Trio definiert sich auf seiner Website treffend als Kollektiv, das «die Auswirkungen von Technologien auf unser tägliches Leben hinterfragt». Diesen Ansatz repräsentiert auch das Kunstobjekt in Verbier. Im Innern des Glases ist eine gruselige Ansammlung von dünnen und dicken und bunten Kabeln zu erkennen, ironisch beleuchtet von einem eingesetzten LED-Band.
Fragmentin übt nie direkte Kritik, sondern vertritt eine fiktiv-beobachtende Haltung. Und das ist ihm mit Global Wiring gelungen. Es ist offensichtlich, dass hier das fragwürdige Vermächtnis der Menschheit im Untergrund hinterfragt wird. Denn seit vielen Jahren verlegen wir elektrische Kabel, Wasserleitungen und Rohre im Boden, weil es uns wichtig ist, die Infrastruktur in den Bergen am Leben zu erhalten. Ist es uns auch wichtig, was in 200 oder 300 Jahren sein wird? Dann, wenn das Material, das wir nie entfernt haben, von unseren Nachfahren gefunden wird?
Von Lausanne aus hat Fragmentin mit seiner Kunst schon viele Städte bereist – Venedig, Kairo, Paris … Jetzt ist das Ensemble in Bern. Ab 1. Juli werden seine Arbeiten im Biwak#32 im Alpinen Museum der Schweiz zu sehen sein.