«Lieber mit weniger als mit mehr» | Schweizer Alpen-Club SAC
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«Lieber mit weniger als mit mehr» Gruppengrösse auf Bergtouren

Eine Skitour oder eine Bergwanderung mit Gleichgesinnten ist ein schönes Unternehmen – doch Gruppen können auch zu gross sein. Die SAC-Sektionen handhaben die Gruppengrössen unterschiedlich.

Stau am Berg gibt es nicht nur am Mount Everest, sondern manchmal auch in heimischen Gefilden. Wenn das lang ersehnte Schönwetterfenster aufs Wochenende fällt, kann es passieren, dass scheinbar alle den gleichen Gipfel für die Skitour oder die Bergwanderung ausgesucht haben.

Aber manchmal ist der Stau auch hausgemacht. Die Tourenprogramme der SAC-Sektionen oder anderer Vereine sind beliebt, sodass oft ansehnliche Gruppen zusammenkommen. Dann tritt man sich auf dem Gipfel auf die Füsse, an den Graten bilden sich sogenannte Gartenzäune, und nicht zuletzt ist die Gruppengrösse ein sicherheitsrelevanter Faktor.

Bruno Hasler, zuständig für die Bergnotfallstatistik des SAC, verfolgt das Thema Gruppengrösse schon lange. «Probleme gibt es am ehesten bei den Senioren; die Tourenleiter sind stolz, wenn 25 Leute mit auf ihre Tour kommen.» Allerdings machten die Senioren in der Regel einfache Touren, wo kaum etwas Gravierendes passiere, relativiert Bruno Hasler. Auch zu Ausbildungszwecken gebe es bei einigen Sektionen Ansammlungen von 50 Personen, wobei dann keine Gipfel bestiegen, sondern im Gelände zum Beispiel Lawinenausbildung gemacht würde.

Die Vielfalt ist gross

Der Österreichische Alpenverein (ÖAV) kennt für alle Bergsportarten Empfehlungen für die Gruppengrössen. Für Skitouren heisst es: «Bei geführten Touren hat sich die Zahl 8 + 1 als Richtwert für die maximale Gruppengrösse etabliert. In wesentlich grösseren Gruppen droht das Chaos durch erschwerte Kommunikation, fehlende Übersicht und zunehmende Schwerfälligkeit.» Der SAC empfiehlt für Skitouren sogar noch kleinere Gruppen von nur 6 Personen. Für das Bergwandern im Sommer rät der ÖAV: «4 bis 6 sind beim Bergwandern ideal. Bei deutlich mehr als 8 Personen werden Bergtouren schnell zu chaotischen Unternehmungen.» Für die Hochtouren nennen der SAC und der ÖAV die gleichen Zahlen: «Die ideale Gruppengrösse beträgt 2 bis 6 Personen, mehr sind ein Risikofaktor!»

Trotz den Empfehlungen ist die Vielfalt in der Praxis gross. Eine Umschau bei den Tourenprogrammen der Sektionen zeigt: Viele haben für Sektionstouren Beschränkungen, andere haben keine, oder sie sind nicht ersichtlich. Gerade in Sachen Kommunikation gibt es grosse Unterschiede: Von maximaler Transparenz, indem im Tourenprogramm auf den ersten Blick ersichtlich ist, wie viele Teilnehmende zugelassen werden und wie viele sich schon angemeldet haben, bis zum Hinweis, dass die Teilnehmerzahl beschränkt ist, gibt es alles. Und es sind auch Skitouren ausgeschrieben, an denen 20 Personen teilnehmen dürfen.

Eine kleine, nicht repräsentative Umfrage bei den Tourenchefinnen und Tourenchefs grosser und kleinerer Sektionen aus der Deutsch- und der Westschweiz zeigt, dass auch die Vorgaben stark variieren, falls es welche gibt. Während bei den einen maximal 6 Personen an einer Sektionstour teilnehmen können, sind es andernorts 12. In vielen Sektionen werden die Teilnehmenden auf mehrere Tourenleitende aufgeteilt, wenn sich viele anmelden.

Wichtiger Bestandteil der Tourenplanung

Viele Sektionen hätten die Gruppengrössen bereits gut geregelt, ist Bruno Hasler überzeugt. Zumindest sei ein kausaler Zusammenhang zwischen der Gruppengrösse und einem Unfall höchst selten. Christian Andermatt ist es ein Anliegen, dass die Gruppengrösse, das Niveau, die Heterogenität und das Alter der Teilnehmenden in der Tourenplanung berücksichtigt werden.

Für ihn zählen aber nicht nur die harten Faktoren: «Für mich stellt sich auch die Frage ‹Wie will ich in den Bergen unterwegs sein?›.» Die Antwort gibt er gleich dazu: «Ich suche in den Bergen Ruhe, Einsamkeit und schöne Momente. Mit einer riesigen Gruppe erlebe ich das nicht.»

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«Kleinere Gruppen sind flexibler, sicherer und einfacher zu führen.»
Christian Andermatt
Fachleiter Ausbildung Winter beim SAC

Unruhe und Eigendynamik

Obwohl der SAC keine verbindlichen Empfehlungen bezüglich der Gruppengrössen macht, gibt es doch eine Devise, die auch bei der Ausbildung der Tourenleitenden vermittelt wird: «Lieber mit weniger als mit mehr», sagt Christian Andermatt, Fachleiter Ausbildung Winter beim SAC. «Kleinere Gruppen sind flexibler, sicherer und einfacher zu führen.» Das beginnt bei der Anreise und endet beim gemeinsamen Gang ins Restaurant nach der Tour.

Die Grösse der Gruppe beeinflusst aber auch die Tour selbst. Müssen auf einer Skitour Sicherheitsabstände von zehn Metern gemacht werden, zieht sich eine 15-köpfige Gruppe extrem in die Länge. Auch beim Bergwandern entsteht bei einer schwierigeren Passage schnell eine sogenannte Handorgel. «Verzettelt sich die Gruppe, kann es für die Tourenleitenden schwierig werden zu führen», sagt Christian Andermatt.

Was für Skitouren gelte, gelte im Grundsatz auch für Schneeschuhtouren. «Diese finden oft in einfachem Gelände im Wald statt. Deshalb ist eine kleinere Gruppe auch zum Schutz der Flora und Fauna geboten», sagt Christian Andermatt. Da hilft auch die weitverbreitete Praxis, Gruppen auf mehrere Tourenleitende aufzuteilen, nicht viel. «Am Ende eines Tages ist immer eine Person verantwortlich», sagt Christian Andermatt.

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«Ich suche in den Bergen Ruhe, Einsamkeit und schöne Momente. Mit einer riesigen Gruppe erlebe ich das nicht.»
Christian Andermatt
Fachleiter Ausbildung Winter beim SAC
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