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Klettern für alle Inklusion im Sportklettern

Ein Fünftel der Menschen in der Schweiz haben eine Behinderung. In der Kletterhalle und draussen am Fels sind sie aber im Verhältnis selten anzutreffen. Nach erfolgreicher Austragung der Paraclimbing-WM in Bern will der SAC den Schwung ausnutzen und im Breitensport inklusiver werden.

«Bei uns gehen und rollen tagtäglich Menschen mit einer Behinderung ein und aus, das ist ganz normal», sagt Caroline Käser. Sie ist Kletterinstruktorin und Bereichsleiterin Kurswesen bei PILATUS INDOOR im luzernischen Root. «Die Kletterhalle für alle» ist der Slogan der Anlage. 2017 habe man mit den ersten Angeboten gestartet, zusammen mit der Fachstelle für Behindertensport PluSport, die ein paar Jahre zuvor ebenfalls begonnen hatte, sich im Klettersport zu engagieren. «Am Anfang war es ungewohnt, aber mittlerweile klettern hier Menschen mit und ohne Behinderung zusammen», sagt Caroline Käser. Die PluSport-Angebote in der Kletterhalle erleichterten Menschen mit Behinderung den Einstieg in den Klettersport und förderten den Austausch unter Gleichgesinnten.

Kletterhallen «auf gutem Weg»

Anfang August ging in Bern die WM Sportklettern über die Bühne, parallel dazu wurde die Paraclimbing-WM ausgetragen. Der SAC hatte für die Heim-WM ein eigenes Paraclimbing-Team gegründet. Prompt holte Dominic Geisseler, dem acht Finger fehlen, die einzige WM-Medaille für die Schweiz. Nachdem das Paraclimbing dank der WM einen Schub erhalten hat, stellt sich die Frage: Wie steht es im Breitensport um das Klettern für Menschen mit besonderen Bedürfnissen?

Die Kletterhallen stehen nicht schlecht da – diesen Eindruck vermittelt Amruta Wyssmann. Sie ist mit nur einem Arm auf die Welt gekommen und klettert seit fünf Jahren. Zuerst nur für sich, seit letztem Jahr gehört sie dem Paraclimbing-Team an und ist auch an der WM gestartet. «Viele Kletterhallen sind barrierefrei oder zumindest teilweise», sagt sie. Die Zugänglichkeit zur Infrastruktur sei das Wichtigste. Sind etwa die Toiletten nicht rollstuhlgängig, sei es für Paraplegiker ausgeschlossen, klettern zu gehen. Aber auch die Zugänglichkeit von Fitness- oder speziellen Trainingsbereichen ist wichtig. «Man ist auf gutem Weg», sagt sie. Nicht zuletzt dank dem Spitzensport, der vielen die Augen geöffnet habe.

Was es für eine inklusive Kletterhalle braucht, erklärt Caroline Käser beim Rundgang durch PILATUS INDOOR. Leichte bis anspruchsvolle Toprope-Routen in verschiedenen Wandneigungen erleichtern den Einstieg in den Klettersport. Einfache und unterschiedlich hohe Routen mit grossen Griffen und Tritten, vor allem auch im Einstiegsbereich, sorgen dafür, dass das Top für alle erreichbar ist. Im Idealfall sind alle Bereiche rollstuhlgängig, und für Kletterinnen und Kletterer im Rollstuhl braucht es ausreichend überhängende Routen. «Im Kletterbereich muss man gar nicht so viel anpassen», sagt Caroline Käser. Wichtig sei aber, dass die Inklusion gelebt werde. In Deutschland, im bayerischen Bad Aibling, etwa wurde extra eine inklusive Kletterhalle gebaut. «Was ich daran besonders gut finde, ist, dass sie auf jeder Stufe inklusiv aufgestellt ist. Nicht nur die Kundschaft, sondern auch der Kursbereich und die Geschäftsleitung sind inklusiv», sagt die Kletterinstruktorin.

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«Am Anfang war es ungewohnt, aber mittlerweile klettern hier Menschen mit und ohne Behinderung zusammen.»
Caroline Käser
Kletterinstruktorin und Bereichsleiterin Kurswesen bei PILATUS INDOOR

Ein Tourenprogramm für alle

Menschen mit Behinderung klettern nicht nur in der Halle, sondern auch draussen am Fels: Vitamin Berg ist ein bekannter Anbieter, Pro Infirmis Glarus hat seit vielen Jahren ein Angebot, und auch einige SAC-Sektionen machen inklusive Klettertage oder -wochen. Das wohl älteste bestehende Angebot ist das Bergsportlager der Sektion Rinsberg, das jährlich seit 25 Jahren in Zusammenarbeit mit Procap stattfindet. «Das Lager ist immer im Nu ausgebucht», sagt Christian Haug, der früher als Tourenleiter und heute als Bergführer mithilft und als J+S-Ausbildungsverantwortlicher Bergsport für den SAC arbeitet. Ein Ausbau würde aber den Rahmen sprengen, bereits jetzt sei der Aufwand für die freiwilligen Leitenden gross.

Während in diesem Lager rund 10 Teilnehmende von 15 Tourenleitenden begleitet werden, verfolgt der SAC Blüemlisalp ein anderes Konzept. «Unsere Touren stehen Menschen mit Handicaps und Beeinträchtigungen offen, und alle sind willkommen», steht in der Jahresinfo der Sektion. Möchte eine beeinträchtigte Person an einer ausgeschriebenen Sektionstour teilnehmen, meldet sie sich bei Marc Trösch, Vizepräsident der Sektion. Er schaut mit den Tourenleitenden, ob und wie eine Teilnahme möglich ist.

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«Diesen Sommer ist ein Teilnehmer mit einer starken Sehbehinderung auf die Sektionstour aufs Bishorn mitgegangen.»
Marc Trösch
Vizepräsident SAC Blüemlisalp

«Diesen Sommer ist ein Teilnehmer mit einer starken Sehbehinderung auf die Sektionstour aufs Bishorn mitgegangen», sagt Marc Trösch. Er selbst hat einen geistig behinderten Sohn, der ebenfalls bereits an Kletteraktivitäten der Sektionsjugend teilgenommen hat. Noch sei die Möglichkeit aber zu wenig bekannt, und es meldeten sich nur wenige für Touren an. Marc Trösch wünscht sich, dass man mit Kommunikation mehr Leute erreicht, auch indirekt. Zudem hofft er, dass drei oder vier Tourenleitende der Sektion sich in diesem Bereich weiterbilden werden.

«Ein Mehrwert für alle»

Hier setzt der Zentralverband des SAC unter anderem an: Diesen Herbst wurde erstmals der Fortbildungskurs «Inklusion am Berg» für Tourenleitende durchgeführt. «Es geht auch darum, Tourenleitende zusammenzubringen», sagt Marcel Kraaz, Ressortleiter Breitensport beim SAC. 22% der Bevölkerung gelten gemäss dem Gleichstellungsgesetz als Menschen mit Behinderung, so die Zahlen des Bundesamtes für Statistik. Für mehr Inklusion im Bergsport brauche es Aufklärung und Sensibilisierung, sagt Marcel Kraaz. Aber eine Hauruckübung soll es nicht geben. «Das Ziel ist es, im SAC immer mehr zu ermöglichen.»
Ein Pionier in Sachen inklusives Klettern ist Ralf Weber, der zusammen mit der stark sehbehinderten Andrea Schläfli den Fortbildungskurs «Inklusion am Berg» geleitet hat. Die Paraclimbing-WM habe viel Energie freigesetzt, zudem stünden die Kantone unter Druck, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen, der die Schweiz 2014 beigetreten sei. Ralf Weber ist deshalb überzeugt, dass es in den nächsten Jahren vorwärtsgehen wird und dass man die Gunst der Stunde richtig nutzt. «Es ist gut, dass der SAC den Lead übernommen hat und die Ausbildung über den Verband stattfindet. Das ist der erste Schritt der Inklusion», sagt er. Der SAC und PluSport haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, in der steht, dass man gemeinsam «Bergsport für alle» ermöglichen will.

«Es ist ein Mehrwert für alle», sagt Marcel Kraaz. Denn es ist nicht so, dass nur die Beeinträchtigten profitieren können, sondern alle Menschen können voneinander lernen. Und ein Bergführer, der in diesem Bereich viel Erfahrung hat, sagt: «Die zwischenmenschlichen Erlebnisse mit Leuten mit Handicaps sind viel intensiver. Sie umarmen dich, wenn sie etwas schaffen, weinen aber auch, wenn etwas nicht geht.»

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«Das Ziel ist es, im SAC immer mehr zu ermöglichen.»
Marcel Kraaz
Ressortleiter Breitensport beim SAC

Autor / Autorin

Anita Bachmann

Inklusion am Berg

Der SAC will mit gezielten Aus- und Weiterbildungsmassnahmen bei der Inklusion im Bergsport Schritt für Schritt vorankommen. Dafür hat er zum Beispiel den Fortbildungskurs für Tourenleitende «Inklusion am Berg» eingeführt. Auch bei J+S und bei der Fachstelle für Behindertensport PluSport gibt es Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.

www.sac-cas.ch/de/ausbildung-und-sicherheit/inklusion-am-berg/
www.sac-cas.ch/fr/formation-et-securite/inclusion-en-montagne/

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