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Hinterlasse keine Spuren! Reportage zum grossen Geschäft

«Leave No Trace» ist in den USA seit den 1980er-Jahren das Credo bei Erlebnissen in der Natur. Auch wenn es um das grosse Geschäft geht. Ein Augenschein in Übersee.

Die Sonne schimmert orangefarben durch den Rauch der nahe gelegenen Waldbrände, als wir die Tür zum Nationalparkzentrum im North Cascades National Park nördlich von Seattle aufstossen. Trotz den ungünstigen Vorzeichen wollen wir eine mehrtägige Traverse durch die alpine Landschaft des Nationalparks unternehmen. Dafür müssen wir im Parkzentrum aber zuerst die Bewilligung, die neusten Informationen zu den Waldbränden und essenzielle Toilettenartikel beschaffen.

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«Die Ranger haben die Regeln genau erklärt: Wenn der Kot nicht mindestens 15 Zentimeter tief vergraben werden kann, ist die Verwendung von ‹Blue Bags› Pflicht.»

Mit allem Nötigen ausgerüstet, ziehen wir eine halbe Stunde später los. Im alpinen Gelände, wo die Vegetation spärlich und biologische Abbauprozesse langsam sind, darf man keine Exkremente zurücklassen. Stattdessen muss man die «Blue Bags» verwenden. Diese bestehen aus zwei dünnen, blauen Plastiktüten und einem grösseren, dicken Beutel sowie einigen beweglichen Drahtverschlüssen. Die Ranger haben die Regeln genau erklärt: Wenn der Kot nicht mindestens 15 Zentimeter tief vergraben werden kann, ist die Verwendung von «Blue Bags» Pflicht. Das grosse Geschäft kommt dann in einen der blauen Beutel, der dann im dickeren Beutel und schliesslich im Rucksack verstaut wird, bis er regulär entsorgt werden kann.

Menschliche Fäkalien sorgen für rote Köpfe

Leave No Trace ist eine Non-Profit-Organisation mit Sitz in Boulder, Colorado, in den USA. Gegründet in den frühen 1990er-Jahren, setzt sie sich seit über 25 Jahren für einen nachhaltigen Umgang mit der Natur ein. Ihre Prinzipien beziehen sich nicht einzig auf den Toilettengang. Gemäss Umfragen sorgt aber in neun von zehn Fällen die unsachgemässe Entsorgung menschlicher Fäkalien für rote Köpfe unter den Alpinisten und Abenteurern. Wer kennt das von hierzulande nicht auch: Man möchte kurz vor einer Klettertour nochmals hinter den nächsten Felsblock kauern und findet dort haufenweise Toilettenpapier?

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«Wer kennt das von hierzulande nicht auch: Man möchte kurz vor einer Klettertour nochmals hinter den nächsten Felsblock kauern und findet dort haufenweise Toilettenpapier?»

Die Regeln zum Umgang mit menschlichen Ausscheidungen zielen darauf ab, das Wasser nicht zu verschmutzen, die Ästhetik zu gewahren und negative soziale Auswirkungen zu minimieren. Auch die Verbreitung von Keimen soll verhindert werden. Gleichzeitig besteht der Anspruch, möglichst gute Bedingungen für den natürlichen Abbau der Exkremente zu schaffen. Um dies zu erreichen, gilt der simple Grundsatz: Kann man sich nicht mindestens 60 Meter von Gewässern und Wegen entfernen und ist der Boden zu hart, um ein Loch zu graben, muss man sein Geschäft mitnehmen.

Hier zeigen sich je nach Region leicht unterschiedliche Lösungsansätze. Die «Blue Bags» aus dem North Cascades National Park stellen mit ihren drei Plastiktüten die ultraleichte Alpinversion dar. Die verbreiteteren «WAG Bags» enthalten noch ein Granulat, das – ähnlich wie Katzenstreu – Fäkalien bindet, chemisch inaktiv macht und Gerüche neutralisiert. Bezüglich der Tiefe der Löcher gelten generell 15 bis 20 Zentimeter. In Wüstengebieten, wo wenig Vegetation wächst und die biologischen Abbauprozesse langsamer sind, reichen 10 bis 15 Zentimeter. Dort helfen Wärme und UV-Strahlung, die Exkremente abzubauen.

Der aufkommende Druck auf beliebte Wander- oder Klettergebiete fordert längerfristig sogar ein fundamentaleres Umdenken. Denn wo viele Leute hingehen und manche sogar zelten, reicht selbst das gewissenhafteste Vergraben von Exkrementen nicht. Deshalb wird vermehrt auch in tiefer gelegenen Gebieten die Verwendung von «Blue Bags» oder «WAG Bags» vorgeschrieben.

Die kleine Schaufel gehört ins Toiletten-Kit

Für die Woche im Nationalpark heisst es ab jetzt: kauern. Unser Toiletten-Kit enthält eine der kleinen, stabilen Schaufeln, die auch im Fachhandel zu finden sind (besonders bewährt haben sich jene, mit denen sich die dünnen Wurzeln der Wald- und Wiesenböden gut durchstechen lassen). Das benutzte WC-Papier sollte man wieder mit nach Hause zu nehmen. Dafür gibts im Kit einen kleinen Plastiksack, der sich mehrfach öffnen und wieder verschliessen lässt. Zu guter Letzt darf eine kleine Flasche Handdesinfektionsmittel nicht fehlen.

Am ersten Tag kommen wir nicht ganz so weit wie erhofft, und so verbringen wir unsere erste Nacht nahe der Baumgrenze zwischen niedrigen Büschen und Sträuchern. Tags darauf steigen wir weiter hoch, und bald erübrigt sich das Graben, worauf also die «Blue Bags» zum Zug kommen. Wir gewöhnen uns schnell an das neue System und sind etwas stolz, keine Spuren zu hinterlassen.

#Scheissmoment

Der Schweizer Alpen-Club lanciert zusammen mit dem Verband Schweizer Wanderwege die Kampagne #Scheissmoment. Das Ziel ist, das Bewusstsein für saubere und nachhaltige Outdooraktivitäten zu schaffen und praktische Tipps zu geben:
– Die Natur schützen und schöne Landschaften bewahren, indem man Taschentücher und Toilettenpapier wieder einpackt und Spuren vergräbt. Mit einer mitgebrachten Schaufel ein 15 Zentimeter tiefes Loch graben, um das Geschäft zu deponieren, und mit Erde und Steinen zuschütten.
– Genügend Abstand zu Gewässern halten, damit Seen, Flüsse und Bäche nicht verschmutzt werden. Ein angemessener Abstand beträgt mindestens 50 Meter und gilt auch fürs kleine Geschäft.
– Die Wanderung im Voraus planen und die vorhandene Infrastruktur nützen. In Restaurants, Hütten oder bei Bergbahnen findet man überall Toiletten. Um an die Kosten der Instandhaltung von sanitären Anlagen beizutragen, auch gleich etwas konsumieren.

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