Gratklettern in hochalpinem Ambiente | Schweizer Alpen-Club SAC
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Gratklettern in hochalpinem Ambiente Einfache Klettertour zuhinterst im Lötschental

Von vergletscherten Fast-Viertausendern umgeben, bietet der Jegichnubel eine einfache, lange Mehrseillängenroute mit spektakulärer Aussicht. Der Südwestgrat ist – trotz der komfortablen Unterkunft auf der Anenhütte – eine ernst zu nehmende alpine Unternehmung.

Auch wenn man sich unter einem Chnubel eher einen runden Hügel vorstellt als einen Klettergipfel, ist der Name des Jegichnubels durchaus passend – so unscheinbar erhebt er sich westlich der Lötschenlücke zwischen Bergen wie Grosshorn, Mittagshorn, Nesthorn, Breithorn und Bietschhorn, die ihn um 600 bis 800 Meter überragen. Doch gerade diese eisgepanzerten Nachbarn und das hochalpine Ambiente sind es, die die Überschreitung des eher unbekannten Gipfels über den Südwest- und den Südostgrat attraktiv machen.

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Doch gerade diese eisgepanzerten Nachbarn und das hochalpine Ambiente sind es, die die Überschreitung des eher unbekannten Gipfels über den Südwest- und den Südostgrat attraktiv machen.

Übernachtet man vor der Tour in der privaten Anenhütte, kommt man zudem in den Genuss der «exklusivsten Hütte der Schweiz», wie es auf der Homepage heisst. Dank eines Wasserkraftwerks ist die Anenhütte energieautark und hat so viel Strom zur Verfügung, dass die Gäste in frisch bezogener weisser Bettwäsche schlafen, und eine heisse Dusche im Preis inbegriffen ist.

Komfort auf der Anenhütte

Initiiert vom Bergführerverein Lötschental, um Besteigungen von Grosshorn und Schinhorn zu erleichtern, entstand zwischen 1993 und 1995 im Aanakessel oberhalb des Langgletschers die erste Anenhütte. 2005 ging sie in den Besitz des Bergführers und Ingenieurs Peter Tscherrig über. Nachdem die Hütte 2007 von einer Staublawine zerstört worden war, entschloss er sich zu einem Neubau.

Mit der Prämisse, den gestiegenen Ansprüchen heutiger Hüttengäste gerecht zu werden: Er baute zwei Wasserleitungen, um die Fallleitung zum Turbinenhaus mit Gletscherwasser zu versorgen und um eine Quelle für das Trinkwasser zu nützen. Die Mahlzeiten werden mit frischen, regionalen Produkten zubereitet, die einmal in der Woche mit dem Helikopter angeliefert werden. Sogar eine Wellnesssuite mit Sauna, Whirlwanne und Sonnenterrasse lässt sich buchen – Komfort wie im Hotel.

Ein Komfort, den sich die Tscherrigs – inzwischen führen Peter Tscherrigs Sohn Christian und seine Frau Melanie die Hütte – teuer bezahlen lassen. So kostet die Übernachtung mit Halbpension im Mehrbettzimmer wochentags 137, am Wochenende 147 Franken. Für das vegetarische Menü sind 6 Franken Zuschlag zu zahlen, für einen Liter Quellwasser zum Abendessen 9 Franken, der Marschtee schlägt mit 5.50 Franken zu Buche. Selbst der Klettersteig, der angelegt wurde, um die Hütte für ein breiteres Publikum attraktiv zu machen, kostet 10 Franken Benutzungsgebühr, für Kinder 5 Franken.

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Und für Kletteranwärterinnen, die sich fragen, ob es das alles wirklich braucht, gilt: Entweder Komfort geniessen und zahlen – oder verzichten und länger zusteigen.

Klassisch alpines Gelände

Nach einem Abend auf der Anenhütte verstärkt sich der Eindruck, dass sie vor allem von wandernden Tagesgästen genutzt wird sowie für Feiern und Seminare. Für Familien jedenfalls, für die der Gletschererlebnisweg, die Seen und Bäche und auch die im Gebiet der Hütte eingerichteten kleinen Klettersektoren interessant wären, ist sie schlichtweg zu teuer. Und für Kletteranwärterinnen, die sich fragen, ob es das alles wirklich braucht, gilt: Entweder Komfort geniessen und zahlen – oder verzichten und länger zusteigen.

Wer am nächsten Morgen zum Südwestgrat des Jegichnubel aufbricht, sollte sich jedenfalls nicht täuschen lassen von all dem Luxus. Die 1924 im Abstieg erstbegangene Route bewegt sich in teilweise – etwa im Einstiegscouloir – heiklem Gestein. Ihre Begehung erfordert Erfahrung in klassischem alpinen Gelände. Insbesondere der Abstieg über den Südostgrat ist nicht «sehr leicht», wie die Homepage verspricht, auch wenn er, genauso wie die Standplätze des Südwestgrats, mit auffälligen roten Farbmarkierungen versehen wurde. Einen gewissen Grad an Ausgesetztheit muss man vertragen. Tut man das, wird man grosses Vergnügen daran haben, angesichts von Breithorn und Bietschhorn einen Tag lang luftigen Graten entlangzutänzeln.

Praktische Infos

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Jegichnubel (3124 m) – Südwestgrat

Eckdaten

4b, meist zwischen 3 und 4a, 15 SL, 4  bis 5 h

Route

Über die Platten rechts des Couloirs in 2 Seillängen auf den Grat. Nun in schöner Kletterei über den Grat. Nach 5 Seillängen hat man den Gratturm erreicht; auf dessen Westseite klettert man, den Bohrhaken folgend, ab. Weiter auf dem hier flacheren Grat, der nach Nordosten abschwenkt. Zuletzt wieder steiler zum Gipfel.

Abstieg

Über den Südostgrat: Zunächst durch die Südflanke zum Beginn des Südostgrats. Über den ausgesetzten Grat im 3. Schwierigkeitsgrad abklettern (Bohrhaken vorhanden, um evtl. zu sichern). Über eine Steilstufe kann 20 Meter abgeseilt werden. In Gehgelände (Wegspuren) weiter absteigen bis zu einer letzten Steilstufe, über die dreimal abgeseilt wird. Nun durch eine Schnee- bzw. Geröllrinne östlich hinunter zur Moräne des Anungletschers und auf dem Zustiegsweg zurück zur Anenhütte (2 bis 2 h 30).

Zustieg

Von der Anenhütte zum Anusee und auf Pfadspuren die Seitenmoräne des Anungletschers hinauf bis auf eine Höhe von 2760 m. Dann durch den Geröllkessel nach Westen in das Couloir zwischen P. 2961 und P. 2966. Im Couloir aufwärts, bis man auf dessen rechter Seite die ersten Bohrhaken sieht (1 h 30 bis 2 h).

Anreise

Mit der Bahn nach Goppenstein oder Gampel-Steg, dann mit dem Postauto bis Fafleralp.

Ausrüstung

50 m-Seil, 8 Expressschlingen, mittelgrosse Friends und einige Schlingen. Eispickel und Steigeisen können zu Beginn der Saison nützlich sein.

Karten

LK 1 : 25 000, Blätter 1248 Mürren, 1268 Lötschental
LK 1 : 50 000, Blatt 264 Jungfrau

Literatur

Ueli Mosimann, Alpine Touren/Auswahlführer Berner Alpen. Ausgewählte Touren zwischen Sanetsch- und Grimselpass, SAC Verlag, 2013
Kletterführer Anenhütte, vor Ort kaufen oder auf der Homepage der Hütte bestellen

Übernachtung

Anenhütte (2355 m): 079 864 66 44, www.anenhuette.ch, info@anenhuette.ch, Zustieg: T2, 2 h.

Autor / Autorin

Karin Steinbach Tarnutzer

lebt als freie Journalistin und Buchautorin in St. Gallen. Ihre Reportagen aus dem Berggebiet, kombiniert mit Wandervorschlägen, sind kürzlich unter dem Titel Schauplatz Alpen als Buch erschienen.

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