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Einst und jetzt 150-jährige Bergansichten aus den Glarner Alpen

Die von Hand gezeichneten Bergansichten aus den Gründerjahren des SAC sind wahre Kunstwerke und wissenschaftliche Arbeiten. Sie ermöglichen eine eindrückliche Gegenüberstellung mit den Bergen von heute.

An Weihnachten 2021 findet sich – in Geschenkpapier verborgen – die Beilage zum Jahrbuch des SAC aus dem Jahr 1878. Der Inhalt zeigt Karten, Profile und Panoramen. 150-jährige Bergansichten, alle von Hand gezeichnet. Daraus entsteht die Idee, einige dieser Orte erneut aufzusuchen, zu fotografieren und so die Veränderungen der letzten 150 Jahre selbst zu erfahren – in unseren scheinbar felsenfest stehenden Bergen. Angesichts des Klimawandels und der beschleunigten Gletscherschmelze sicherlich eine interessante Erfahrung.

Auf beinahe allen alten Bildern findet man das Datum der Aufzeichnung. Die Herausforderung ist es nun, den aktuellen Blick möglichst im übereinstimmenden Zeitraum zu dokumentieren, um ein objektives Vergleichen zu gewährleisten. Wetter- und Sichtverhältnisse müssen ebenfalls mitspielen. Der ungefähre Standort der Aufnahmen lässt sich zu Hause auf der Karte ermitteln, über erkennbare Geländepunkte, die auf einer Linie liegen und sich in einem Punkt kreuzen. Mit Kopien der Bergansichten im Rucksack gilt es schliesslich, den möglichst exakten Standpunkt vor Ort zu finden.

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«Neben den bergsteigerischen Anstrengungen musste man damals als Zeichner und Maler genügend Zeit vor Ort haben, um die Landschaft mit dem Stift zu skizzieren und später zu Hause mit dem Pinsel zu kolorieren – während heute ein kurzes Antippen des Smartphones genügt.»

Wahre Kunstwerke

Diesem Finden gelten dann auch die ersten Besuche, um bei günstigen Verhältnissen bereit zu sein. Hierbei zeigen sich die grossen Unterschiede des Dokumentierens von einst und heute: Neben den bergsteigerischen Anstrengungen musste man damals als Zeichner und Maler genügend Zeit vor Ort haben, um die Landschaft mit dem Stift zu skizzieren und später zu Hause mit dem Pinsel zu kolorieren – während heute ein kurzes Antippen des Smartphones genügt.

Die überlieferten Zeichnungen sind wahre Kunstwerke. Es sind Dokumente aus den Gründerjahren des SAC, der die Glarner Alpen zu seinem ersten Exkursionsgebiet erkoren hat. Die Bilder sind zum Teil unter besonderen Gesichtspunkten entstanden, wie etwa der Dokumentation der Geologie. Neben den von Hand proportional exakt erfassten Landschaften sind auch geologische Schichtungen genau aufgezeichnet worden, wie man sie auf den ersten Blick als Laie nicht erkennen kann. Bei längerem Betrachten bemerkt man, wie wissenschaftliches Arbeiten und künstlerische Freiheit ineinandergreifen. So wurden markante Geländepunkte entsprechend herausgearbeitet und Unwesentliches daneben weggelassen – demgegenüber steht das nüchterne, schnell geknipste, digitale Bild der Neuzeit.

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«So wurden markante Geländepunkte entsprechend herausgearbeitet und Unwesentliches daneben weggelassen – demgegenüber steht das nüchterne, schnell geknipste, digitale Bild der Neuzeit.»

Folgen des Klimawandels

Durch die Gegenüberstellung dieses Langzeitvergleichs lässt sich klar erkennen, wo einst Firn und ewiges Eis das Gebirge krönten. Dort liegen nun meist nur noch Schutt und nackter Fels und die Vegetationsgrenze klettert ebenfalls beharrlich höher. Die wissenschaftlichen Messergebnisse bestätigen dies: 2022 war der Rekordsommer bezüglich Gletscherschwund. Die Wasserwirtschaft kann jetzt noch vom Schmelzwasser profitieren. Daneben drohen vermehrt Steinschläge und Felsstürze. Gängige Wege und Routen müssen gesperrt oder angepasst werden.

Die Bergwelt wandelt sich beständig, beobachtbar in den Bildern der Zeit. Wie sie sich weiterentwickeln, bleibt noch verborgen – wie die historischen Bergansichten im Geschenkpapier.

Was werden wohl unsere Nachfahren nach derselben Zeitspanne sehen – im Jahr 2173?

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