«Du solltest wissen, was du tust, wenn du die Zündschnur anzündest» | Schweizer Alpen-Club SAC
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«Du solltest wissen, was du tust, wenn du die Zündschnur anzündest» Portrait über den Sprengmeister Emmanuel Zufferey

Emmanuel Zufferey sprengt Lawinen, damit andere die Skipisten ohne Sorgen geniessen können. Er ist Sicherheitschef im Skigebiet von Zinal und gibt Einblick in seine Leidenschaft.

Manu hatte uns gewarnt: «Zum Fotografieren braucht ihr ein Stativ.» Aber warum? Der Fotograf kommt in den steilen Hängen bestens zurecht, der breite Grat zwischen dem Corne de Sorebois und der Pointe de Tsirouc würde für ihn kein Problem darstellen. Im knietiefen Pulverschnee fotografiert er Emmanuel «Manu» Zufferey, während dieser eine Sprengladung aus dem Rucksack zieht und die Zündschnur anzündet. «Sie brennt!» Die Spannung steigt. Der Sprengmeister holt zum Wurf aus, den Gehörschutz auf den Ohren. Mit viel Schwung schleudert er die zweieinhalb Kilogramm schwere «Bombe» ins Couloir direkt unter ihm. Dann warten wir auf die Explosion und die Schockwelle. Manu Zufferey hatte uns vor herumfliegenden Trümmern gewarnt. Eine Minute später, die wie eine Ewigkeit scheint, überrascht uns die Explosion doch noch. Einen Augenblick lang bebt alles, uns eingeschlossen. Von den umliegenden Hängen hallt das Echo der Explosion. Das Stativ war nicht umsonst.

Wissen, was man tut

«Die Schockwelle übt Druck auf die Schneedecke aus und verursacht den Bruch an den Schwachstellen», erklärt uns der Sprengmeister, nachdem sich unsere Aufregung gelegt hat. Diesmal hat sich nur ein kleines Schneebrett gelöst, nichts Bedrohliches. Zu Beginn der Saison ist das Skigebiet von Zinal an den Wochenenden geöffnet, und Manu Zufferey hat mit seinen Kollegen bereits am Vortag die Lawinen in einem Grossteil der Hänge im Bereich der Pisten gesprengt. «In den letzten Tagen ist viel Schnee gefallen, aber das ist die erste Schicht, und die hält in der Regel gut. Schwieriger wird es später in der Saison, wenn sich der Schnee umwandelt.» Da kann es auch für Profis zu Überraschungen kommen. Wie an einem Morgen im Januar 2018 nach starken Schneefällen. Ein Pistenfahrzeug, das im oberen Teil des Skigebiets an der Arbeit war, löste eine gigantische Lawine aus, die das Fahrzeug und den Fahrer mitriss, glücklicherweise ohne ernsthafte Folgen. Einige Stunden später besprach Manu Zufferey mit Jean-Christophe Genoud, dem Sicherheitschef der Seilbahnen von Grimentz-Zinal, das weitere Vorgehen. «Ich wollte sofort sprengen, aber Jean-Christophe sagte, wir sollten warten und der Polizei Zeit geben, um die Strassen zu sperren. Für alle Fälle.» Als sie die Sprengladung auslösten, setzte sich der ganze Hang in Bewegung, und die Lawine drang bis zum Dorf vor. «Da habe ich verstanden, dass du wissen solltest, was du tust, wenn du die Zündschnur anzündest.»

Vier bis sechs Tonnen Sprengstoff

Den richtigen Moment abwarten – darin besteht die Kunst des Lawinensprengens. «Komplizierter ist es im Frühling, wenn der nasse Schnee nachmittags sehr schwer wird», erklärt Manu Zufferey. Gefürchtet sind auch «Fischmäuler», die sich im Winter bilden, wenn der Boden nicht gefroren ist. «Die Schneedecke schmilzt von unten her und rutscht langsam ab. Der Abbruch ist unvorhersehbar, und es ist schwer zu wissen, ob und wann man sprengen soll.» Grundsätzlich versuchen die Patrouilleure, vorbeugend zu arbeiten, um böse Überraschungen zu vermeiden. In der Regel arbeiten sie bei Tagesanbruch während Schneefällen, meist zu Fuss und auf den Ski, in Zweier- oder Dreierteams. Der Helikopter ermöglicht Sprengungen in schwer zugänglichem Gelände und spart Zeit. Bei schlechter Sicht kommen die Gazex-Systeme zum Einsatz. Das sind stationäre Installationen, die aus der Ferne gesteuert werden können, um in heiklen Bereichen Sprengungen auszulösen. Jeden Winter werden vier bis sechs Tonnen Sprengstoff gebraucht, um die Sicherheit im Skigebiet Grimentz-Zinal sowie auf den Strassen und in den Dörfern des Tals zu gewährleisten.
Aber man wirft solche Mengen Sprengstoff nicht unkoordiniert um sich. In seinem Büro in der Bergstation Sorebois zeigt uns Manu Zufferey auf seinem Computer den Sprengplan, in dem alle Sprengzonen verzeichnet sind. Den Plan hat er 2015 im Rahmen seiner Diplomarbeit in der Ausbildung zum Fachmann im Pisten- und Rettungsdienst erstellt. «Früher konnte man sich nur auf die Erfahrung der älteren Patrouilleure stützen. Und wenn einer die Stelle verliess, ging viel Wissen verloren.» Der Sprengplan und die Protokolle, die nach jeder Sprengung erstellt werden, haben dieses Problem behoben. Und man verhindert, in bereits gesicherten Gebieten unnötig zu sprengen.

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«Wenn du am Morgen vor allen anderen oben im Skigebiet ankommst und deine Aufgabe darin besteht, den ganzen Schnee ins Tal zu befördern, dann ist das berauschend.»
Emmanuel Zufferey
Patrouilleur und Sprengmeister

Den Berg unter Kontrolle haben

In Zinal ist Manu Zufferey einer von drei Patrouilleuren, die eine Sprengberechtigung zur künstlichen Auslösung von Lawinen besitzen. Obwohl es für ihn zwischen November und April nie Ferien gibt, würde er seinen Beruf um nichts in der Welt wechseln. «Wenn du am Morgen vor allen anderen oben im Skigebiet ankommst und deine Aufgabe darin besteht, den ganzen Schnee ins Tal zu befördern, dann ist das berauschend.» Ausser, wenn plötzlich unten Tourengeher oder Freerider auftauchen, obwohl das Gebiet gesperrt ist. «Wenn das passiert, kann man nichts anderes tun als warten und beten, dass die Lawine nicht spontan auf sie niedergeht.» Manu Zufferey will nicht Polizist spielen, aber manche Verhaltensweisen sind für ihn nur schwer nachvollziehbar. Niemand ist vor Lawinen sicher, auch in einem geöffneten Skigebiet nicht. «Viele Leute meinen, dass alles gesichert ist, wenn sie sich in einem Skigebiet bewegen. Sie verstehen nicht, dass wir nur die Hänge sprengen, die die markierten Pisten oder die wichtigsten Infrastrukturen bedrohen. Wir können nicht jeden Hang über 30 Grad sichern.»
Der Mann in seinen Fünfzigern macht aus seiner Faszination für Lawinen keinen Hehl, doch sein Respekt vor diesem Naturphänomen ist ebenso gross. Während er früher gerne Skitouren im Hochgebirge unternommen hat, kommt das für den ehemaligen Wanderleiter heute praktisch nicht mehr infrage. «Ich habe zu viele Profis gekannt, die es kalt erwischt hat. Die Berge im Winter sind extrem tückisch. Du kannst das Gelände und die Technik noch so genau kennen und einen noch so guten Instinkt haben, am Ende braucht es immer auch Glück.» Genau das Gegenteil ist in seinem Beruf der Fall, wo das Glück keinen Platz hat. Denn seine Aufgabe ist es, den Berg unter Kontrolle zu haben, damit andere ihn geniessen können.

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«Viele Leute meinen, dass alles gesichert ist, wenn sie sich in einem Skigebiet bewegen.»
Emmanuel Zufferey
Patrouilleur und Sprengmeister

Autor / Autorin

Alexandre Vermeille

In dieser Serie werfen wir einen Blick auf einige Berufe, die in unseren Bergen fest verwurzelt sind. In der nächsten Ausgabe treffen wir Marcel Bühler, Älpler und Gastgeber im Berner Jura.

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