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Der Guru hinter dem «Guru» Günter Schmudlach, Entwickler von Skitourenguru.ch

Günter Schmudlach schuf mit der Plattform Skitourenguru.ch ein innovatives Tool für die Planung von Skitouren. Er verschaffte sich damit Anerkennung und einen neuen Job. Ist der weit gereiste Wahlzürcher nicht in seinem Büro zu Hause am Programmieren, geht er am liebsten selbst in die Berge oder ins Tessin.

Eigentlich war nicht geplant, beim Treffen in Zürich mit Günter Schmudlach allzu viel über den «Guru» zu reden, wie er ihn selbst liebevoll nennt. Denn die Plattform Skitourenguru.ch kennen mittlerweile viele, aber wer der Mensch ist, der dahintersteckt, darüber ist weit weniger bekannt. Auf dem «Guru» gibt es Tausende von Skitourenrouten. Anhand von digitalen Geländedaten und dem aktuellen Lawinenbulletin wird täglich für jede Route ein Risikofaktor ausgerechnet und in den Farben Rot, Orange und Grün dargestellt.

Dahinter steckt ein Algorithmus, den Günter Schmudlach 2013 entwickelt hat. Seither hat er die Website kontinuierlich ausgebaut. Mittlerweile nutzen rund 5000 User die Plattform, an Spitzentagen erzeugen sie bis zu 60 000 Klicks – Tendenz steigend, da Skitourenguru.ch nebst den Schweizer Alpen inzwischen auch die Westalpen in Frankreich und die Ostalpen in Österreich abdeckt. Seit ein paar Jahren kann Günter Schmudlach vom «Guru» leben. Deshalb reden wir dann doch die längste Zeit darüber.

Angefangen hat alles an Weihnachten 2013. Günter Schmudlach, der Elektrotechnik studiert hat, arbeitete für ein grosses Telekommunikationsunternehmen am Sirenenanlagennetz. «Damals gingen alle in die Softwareentwicklung», sagt er. Privat jedoch interessierte er sich für digitale Kartenprojekte. Es war die Zeit, als sich in der Lawinenkunde die Grafische Reduktionsmethode durchgesetzt hatte. Das ist ein einfacher Risikocheck, bei dem Lawinengefahrenstufe, Hangneigung und Hanglage miteinander verknüpft werden. Um Karte und Risikocheck zusammenzubringen, muss man programmieren können, und genau das ist Günter Schmudlachs Stärke. Im Frühling 2014 stand dann die erste «Bastelversion», wie er sagt. Vom Verriss bis zum Lob erntete er alles dafür.

Der Ritterschlag

«Ich wollte das SLF und die Alpenvereine aufrütteln», sagt Günter Schmudlach. Das Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF ist das Kompetenzzentrum in Sachen Lawinen. Bis heute hegen einige Lawinenexperten gegenüber dem Skitourenguru Vorbehalte. Deshalb wirkte es wie ein Ritterschlag, als das SLF Günter Schmudlach 2017 ans Institut nach Davos holte, damit er helfen konnte, Karten zu entwickeln, die zum Beispiel das Anriss-, Fernauslöse- und Auslaufgelände der Lawinen zeigen. «Es war spannend, aber beruflich für mich das schwierigste Jahr», so Günter Schmudlach. Nicht, dass er der Aufgabe nicht gewachsen gewesen wäre, aber er verfolgt einen anderen Ansatz als das SLF. «Für mich geht es darum, das Lawinenbulletin möglichst nahe an die Nutzer zu bringen.» Die Digitalisierung biete dafür ein riesiges Potenzial, das nutze das SLF aber zu wenig, erklärt er.

Bei der Entwicklung von Skitourenguru.ch half ihm, dass er ein erfahrener Skitourengänger ist. Sein Vater sei ein klassischer Alpinist und habe alle Viertausender bestiegen. Günter Schmudlach war im Toggenburg zu Hause und ging deshalb schon als Kind in die Berge. «Mit zweieinhalb Jahren haben meine Eltern mich auf die Ski gestellt», sagt er. Geblieben sei auch die Liebe zur Natur. Im Sommer sei er am liebsten möglichst wild und einsam unterwegs und ziehe mit dem Zelt von Seelein zu Seelein.

Dschungeltouren in Ecuador

Von Anfang an unterstützte ihn bei Skitourenguru.ch ein Team von Freiwilligen. Auf seiner Website bedankt er sich bei den vielen Leuten, die das Projekt unterstützen. Mit der Erweiterung auf die Ost- und Westalpen sind freie Mitarbeitende dazugekommen, die zum Beispiel die Routennetze zeichnen. Für wissenschaftliche Studien kann er sich mittlerweile ein Team aus geeigneten Leuten zusammenstellen.

Günter Schmudlach hat noch eine andere Seite. Zusammen mit seiner Frau war er für die NGO Peace Brigades International in Kolumbien unterwegs. Dort begleiteten die beiden lokale Menschenrechtsorganisationen, die sich für die Aufklärung von Kriegsverbrechen einsetzen. «Es hat mich schon immer interessiert, in was für einer Welt wir leben», sagt er. Zuvor bestieg das Paar bei einem längeren Aufenthalt in Ecuador einen Vulkan nach dem anderen, bis sie aufs Mal merkten, dass sie schon die Hälfte der rund 50 Berge erklommen hatten. Von da an machten sie Notizen zu den Touren, über die es kaum Informationen gab. «Einmal mussten wir um einen ganzen Berg herumgehen, um herauszufinden, wo man aufsteigen kann», sagt Günter Schmudlach. Schliesslich verfasste er für den Panico Alpinverlag einen Ecuador-Führer mit Wander-, Kletter- und sogar Dschungeltouren.

Nachfolger gesucht

Günter Schmudlach ist 58 Jahre alt und denkt deshalb darüber nach, wie es mit dem «Guru» weitergehen soll, wenn er sich in Pension begibt. Am liebsten wäre ihm, die Alpenvereine würden den «Guru» übernehmen. «Das wird eine Herausforderung», sagt er. Vielleicht zieht es ihn dann ganz ins Tessin, dort leben er und seine Frau schon heute während dreier Monate pro Jahr. «Wir haben vor 20 Jahren einen Steinhaufen gekauft und das Haus über die Jahre in Handarbeit umgebaut.»

Auf dem Weg zu seiner Wohnungstüre winkt Günter Schmudlach. «Komm, du hast den ‹Guru› ja noch gar nicht gesehen.» Es ist ein schlichtes Büro, auf Regalen sind Fachmagazine und Führerliteratur ordentlich aufgereiht. «Da ist er», sagt Günter Schmudlach und zeigt auf einen schwarzen Server. Ein gelbes Kabel führt nach draussen zu den Usern. Und dann reden wir grad noch mal ein bisschen über den «Guru».

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