Ausstieg aus dem Fluor | Schweizer Alpen-Club SAC
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Ausstieg aus dem Fluor Auf dem Weg zu umweltfreundlichen Skiwachsen

Der Verzicht auf fluorhaltigen Wachs in Skirennen ist eine gute Nachricht für die Umwelt und unsere Gesundheit. Im Skitourenrennwesen tut man sich mit dem Verbot nicht schwer, weil hier das Wachsen weniger entscheidend ist als bei anderen Skisportarten.

Nach dem Internationalen Skiverband (FIS) und der Internationalen Biathlon-Union (IBU) hat auch der Internationale Skitourenrennverband (ISMF) im Oktober ein Verbot von fluorhaltigen Wachsen bekanntgegeben. Laut Vehbi Aytekin Sanalan, dem Leiter der Nachhaltigkeitskommission des ISMF, gilt das Verbot für alle ISMF-Rennen, die eine gültige Lizenz erfordern: «Bevor die Athleten ihre Lizenz lösen, müssen sie sich verpflichten, auf fluorhaltige Wachsprodukte zu verzichten.» Derzeit plant der Verband keine Kontrollen, die laut Vehbi Aytekin Sanalan unzuverlässig und teuer wären, beabsichtigt aber, in Partnerschaft mit der FIS und der IBU eine langfristige Strategie zu erarbeiten. Die FIS wird bei internationalen alpinen und nordischen Skirennen Kontrollen mit einem Infrarotspektrometer durchführen. Für die nationalen Verbände stellt das Verbot von Fluor eine Herausforderung dar. «In der Schweiz haben wir zahlreiche Tests mit fluorfreien Skiwachsen durchgeführt. Da es aber die erste Saison ist, ist es noch zu früh, um Schlüsse zu ziehen», erklärt Andrej Neff, Leiter für Forschung und Entwicklung «Non Fluor» beim Schweizerischen Skiverband Swiss-Ski.

Keine Panik bei den Skitourenläufern

Die Verantwortlichen von SAC Swiss Ski Mountaineering relativieren die Bedeutung des Fluorverbots im Skitourensport. «Das Timing ist zwar nicht ideal, aber wir wussten, dass dieses Verbot kommen würde», sagt Malik Fatnassi, Chef Leistungssport bei SAC Swiss Ski Mountaineering. Im Skitourenrennsport, wo Skiwachs weniger entscheidend ist als im alpinen Skisport oder im Langlauf, dürfte sich die neue Regelung nicht nachteilig auswirken: «Die Disziplin entwickelt sich sehr schnell, und ein optimales Training der Athleten fällt stärker ins Gewicht als das Wachs.» Steve Maillardet, Wachstechniker des Nationalteams, teilt diese Ansicht. «Die Wahl eines guten Skis macht 80% des Erfolgs aus, und wichtiger als das Skiwachs ist ein an die Schneeverhältnisse angepasster Skibelag.» Fluoriertes Skiwachs hat Steve Maillardet immer sparsam eingesetzt. «In Skitourenrennen haben wir fluorhaltiges Skiwachs bisher nur bei sehr nassen Verhältnissen verwendet. Hochfluorierte Skiwachse kamen sowieso nicht in Betracht, da sie die Haftung der Steigfelle beeinträchtigen.» Um Ersatz für fluorhaltige Wachse zu finden, hat sich Steve Maillardet im Langlauf umgehört, wo er wertvolle Hinweise erhielt.

Fluorfrei bedeutet noch nicht natürlich

Schon seit Anfang der 2020er-Jahre verzichten mehrere Wachshersteller ganz oder teilweise auf Fluor. Die grossen Steigfellproduzenten haben die Verwendung von Fluor für die wasserabweisende Behandlung der Felle im Werk ebenfalls eingestellt und bieten fluorfreie Produkte zur Imprägnierung der Felle an. Der Hinweis «fluor free» oder «PFC free» auf den Verpackungen ist zwar ein Fortschritt, er bedeutet aber nicht, dass ein Produkt weder toxisch noch umweltschädlich ist, erklärt Nathalie Chèvre, Ökotoxikologin an der Universität Lausanne. Obwohl sie sich nicht näher mit Fluoralternativen für Skiwachs befasst hat, ist die Wissenschaftlerin skeptisch gegenüber den Produkten auf dem Markt. «In der Vergangenheit war der Ersatz von Substanzen selten erfolgreich. Oft war die neue Substanz toxischer als die ursprüngliche», sagt sie. Auch der pensionierte Chemiker Peter Bützer ist dieser Meinung. Mangels ausreichender Angaben auf den Verpackungen hat der St.  Galler die von den Herstellern angemeldeten Patente untersucht und 2022 eine Liste der Substanzen veröffentlicht, die in diesen Patenten genannt werden. Neben Nanopartikeln und anderem Mikroplastik fand er weitere problematische Stoffe wie Siloxane oder Gallium. Er kam zum Schluss, dass «alle verfügbaren Substanzen verwendet werden, die zu besseren Gleiteigenschaften führen, auch wenn sie aus toxikologischer und ökologischer Sicht kritisch sind». Sowohl für Nathalie Chèvre als auch für Peter Bützer liegt die Lösung in naturnahen Produkten.

Entwicklungen bei natürlichen Wachsen

Natürliche Produkte gibt es bereits, allerdings sind sie noch wenig bekannt. Bereits vor 30 Jahren entdeckte Peter Bützer, dass der blaue Farbstoff E-Indigo aussergewöhnliche Gleiteigenschaften aufweist. E-Indigo ist organischen Ursprungs und wird von den Tuareg traditionell verwendet, um Kleidungsstücke zu färben. Der passionierte Langläufer entwickelte daraus ein sehr abriebfestes flüssiges Gleitmittel, das auf die Ski aufgetragen wird. Das Produkt mit dem Namen Isantin erwies sich bei Tests in Zusammenarbeit mit der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und Swiss-Ski zumindest auf kaltem und trockenem Schnee als konkurrenzfähig mit den besten fluorhaltigen Skiwachsen. Obwohl Fluor derzeit die wirksamste Substanz für nassen Schnee bleibt, scheint Isantin eine interessante Alternative für Langlaufwettkämpfe zu bieten, wo das Wachs eine entscheidende Rolle spielt.

Im Bereich der Naturwachse tätig sind auch das amerikanische Start-up Mountainflow und das spanische Unternehmen Nzero, die bereits seit einigen Jahren vollständig organische Produkte ohne Fluor und fossiles Paraffin anbieten. Etablierte Hersteller sind auf den Zug aufgesprungen und entwickeln ebenfalls Produkte, die als natürlich oder biologisch abbaubar gelten. Obwohl kaum Informationen über die Zusammensetzung dieser Produkte erhältlich sind und man daher nicht ausschliessen kann, dass Paraffin aus Erdöl oder toxische Zusatzstoffe verwendet werden, scheint die Branche die Wende zu natürlichen Produkten eingeläutet zu haben. Die Zukunft wird zeigen, ob sich diese Lösungen auch auf höchstem Niveau durchsetzen können. Laut Andrej Neff von Swiss-Ski werden natürliche Skiwachse derzeit bei Wettkämpfen noch kaum eingesetzt, weil sie nicht leistungsfähig genug sind. «Kurz: Sie sind einfach zu langsam für den Wettkampf.»

Für Skitouren, wo vorwiegend Universalwachse verwendet werden, dürften natürliche Wachse aber völlig ausreichen. Wer 100-prozentig natürlich wachsen will, muss selbst wachsen und im Internet geeignete Produkte finden, da vollständig natürliche Alternativen wenig bekannt und im Fachhandel schwer zu bekommen sind.

Autor / Autorin

Alexandre Vermeille

Warum auf Fluor verzichten?

Sogenannte per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, abgekürzt PFAS, werden wegen ihrer flammenhemmenden, schmutzabweisenden, antiadhäsiven, emulgierenden und wasserabweisenden Eigenschaften verwendet und kommen in antihaftbeschichteten Pfannen, wasserdichter Kleidung und fluorierten Skiwachsen vor. Sie haben auch die Eigenschaft, dass sie sich in der Natur ansammeln und kaum abgebaut werden. 2011 konnten bei einer Untersuchung der Zeitschrift K-Tipp PFAS im Körper von Fischen aus vier Engadiner Seen nachgewiesen werden. Nur die Proben aus dem Silsersee, über dessen gefrorener Oberfläche im Winter der Engadiner Marathon verläuft, enthielten jedoch Perfluoroctansäure (PFOA), eine besonders toxische PFAS, die in fluorhaltigen Skiwachsen verwendet wird. Einige dieser sogenannten persistenten Chemikalien gelten als krebserregend. In der Welt des Skisports mangelt es auch nicht an Berichten über professionelle Skitechniker, die früh starben oder schwere gesundheitliche Probleme hatten, nachdem sie über längere Zeit Fluor ausgesetzt gewesen waren.
Die Schweiz hat die Verwendung von PFOA 2021 verboten, ein Jahr nach der EU, wo nun ein Verbot aller PFAS-Anwendungen diskutiert wird. Der Internationale Skiverband (FIS) kündigte 2019 ein Totalverbot von fluorhaltigem Skiwachs für die Saison 2020/21 an, sah sich dann aber gezwungen, die Frist auf diesen Winter zu verschieben, da zuvor keine zuverlässige Methode zum Nachweis von Fluor verfügbar war.

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