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Alpinismus wird «unsterblich» UNESCO erweitert Liste des immateriellen Kulturerbes
Die UNESCO hat am 11. Dezember in Bogotà entschieden, Alpinismus auf seine «Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit» aufzunehmen. Dem Ruf nach Anerkennung des Alpinismus wird damit stattgegeben. Ist das wichtig? Wir finden ja. Und erklären warum.
Das UNESCO-Komitee für die Bewahrung des immateriellen Kulturerbes hat passend zum internationalen Tag der Berge am 11. Dezember 2019 an seiner Sitzung in Bogotà (Kolumbien) entschieden, die Liste der immateriellen Kulturgüter mit Alpinismus zu ergänzen. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten dazu aufgelistet.
Wozu ist Alpinismus auf der Liste des immateriellen Kulturerbes?
Alpinisten sind viel mehr als Städter, die zur Erholung mal raus wollen. Beim Alpinismus geht es darum, zu jeder Jahreszeit, Gipfel und Wände des Hochgebirges zu besteigen. Das setzt körperliche und mentale Fähigkeiten voraus. Jede und jeder setzt sich dabei eigene Ziele. Die Berge setzen die Grenzen. Aber es benötigt vor allem auch spezifische Kenntnisse sowohl über die alpinen Landschaften wie über die geeigneten Techniken und den richtigen Umgang mit Seil, Pickel und Steigeisen. Wissen über Wetter und Klima sind ebenso notwendig wie das Abschätzen von Risiken wie etwa Lawinen. (Den Umgang mit der Lawinengefahr anerkannte die UNESCO 2018 bereits als Kulturerbe.) Geologie- und Geographiekenntnisse, Meteorologie, Wissen über Fauna- und Flora – all das wird miteinander geteilt, ausgetauscht und weitergegeben. Historische Berichte über Expeditionen in fremde Länder und über Erstbesteigungen füllen ganze Archive. Wer kennt nicht die umstrittenen Erzählungen zur Erstbesteigung des Matterhorns? Geschichten wie diese fesseln jede Bergsteiger-Generation immer wieder aufs Neue. Und gehören zu einem wertvollen Fundus in Bibliotheken und Museen.
Im Gebirge ist man den Elementen ausgesetzt. Hoch oben auf dem Gipfel und dennoch mit beiden Füssen auf dem Boden. Gelebte Kameradschaft, Teamgeist, Austausch, gegenseitiger Respekt sind elementar, um am Berg vorwärts- und weiterzukommen. Seilschaften werden oft treffend als «Berg-Ehen» bezeichnet, die häufig ein ganzes Leben lang halten. Dabei werden auch soziale und nationale Grenzen überschritten. Generationsübergreifende Beziehungen werden aufgebaut, gepflegt und gegenseitiges Verständnis für unterschiedliche Lebensrealitäten geschaffen.
Alpinismus ist auch der Austausch zwischen Stadt und Berggebiet. Er fördert gegenseitige Solidarität – und er entwickelt sich ständig weiter. Erworbenes Wissen wird an die nächste Generation weitergegeben. Eine Kultur wird dadurch erhalten. Verändert durch neues technischeres Material, neue Forschungsergebnisse und neuen Bedürfnisse. Der Kern aber bleibt – die Begeisterung für die Berge.
Ausserdem: Schon lange vor den Alpinisten haben sich Kleriker und Wissenschaftler für die Bergwelt interessiert. Kleriker stiegen auf die Gipfel auf der Suche nach Gott. Und Wissenschaft war nicht etwa Vorwand, sondern Hauptzweck zahlreicher Gebirgsexpeditionen: Erforschung und Kartographierung, die Vermessung und Benennung der Berge. Das ist der Ursprung des Alpinismus. Heute geht es nebst einem einmaligen Erlebnis in der Natur vor allem auch darum, Verständnis für den fragilen Lebensraum des Gebirges zu wecken, dafür zu sensibilisieren und entsprechende Schutzmassnahmen umzusetzen.
Wer steckt hinter der Kandidatur?
Die Alpenclubs und Bergführervereine von Frankreich, Italien und der Schweiz haben die Kandidatur eingegeben, um die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch im Alpenraum zu stärken und auszubauen. Die Orte Chamonix (Frankreich) und Courmayeur (Italien) sowie Orsières (VS) und der Kanton Wallis haben die Kandidatur direkt unterstützt. Die Universität Genf leistete wissenschaftliche Unterstützung.
Was ist ein immaterielles Kulturerbe?
Ein Kulturerbe ist eine lebendige, über Generationen weitergegebene Tradition und Praktik, die einer Gemeinschaft ein Gefühl der Identität und Kontinuität vermittelt. Das sind etwa Musik, Tanz, Brauchtum, Feste oder traditionelle Handwerkstechniken. Das immaterielle Kulturerbe verändert sich im Gegensatz zum materiellen Kulturgut kontinuierlich, so wie sich auch die Gesellschaft verändert. Die Liste des immateriellen Kulturerbes gründet auf einem internationalen Übereinkommen von 2003, das inzwischen von 178 Ländern unterzeichnet wurde. Bisher wurden über 500 Praktiken aus 122 Ländern in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Immaterielles Kulturerbe in der Schweiz
Mit der Ratifizierung des UNESCO-Übereinkommens zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes (IKE) im Jahr 2008 hat sich die Schweiz verpflichtet, ein Inventar des immateriellen Kulturerbes der Schweiz zu erstellen und dieses laufend zu aktualisieren. Das Ziel ist klar: die Anerkennung, Aufwertung und Bewahrung des immateriellen Kulturerbes zu fördern.
In der Schweiz ist die Bedeutung des immateriellen Kulturerbes für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für das kulturelle Selbstverständnis sowie für das Erscheinungsbild des Landes und der Regionen anerkannt. Viele nationale und regionale Eigenheiten definieren sich über immaterielle Kulturaspekte. So sind etwa auch Jodel, die Basler Fastnacht oder die Schweizer Uhrmacherkunst auf dieser Liste. Die traditionellen kulturellen Ausdrucksweisen und Praktiken zu unterstützen ist deshalb Teil der staatlichen Kulturförderung.