Der SAC als Promotor der Gebirgsfotografie Welten aus Fels und Eis. Alpine Fotografie in der Schweiz
Seit mehr als 150 Jahren halten Fotografen die Alpen im Bild fest. Das diesen April erschienene Buch «Welten aus Fels und Eis. Alpine Fotografie in der Schweiz» aus dem NZZ Libro Verlag schildert die Geschichte der Alpinfotografie seit den Ursprüngen und unter verschiedenen Gesichtspunkten. Die ALPEN publizieren ein gekürztes Kapitel daraus, in dem der Alpinhistoriker Daniel Anker die Rolle des SAC bei der Gebirgsfoto grafienachzeichnet.
«Es darf hier bemerkt werden, dass in solchen Höhen eine schnell und sicher operierende Photographie ungemeine Vortheile vor der in künstlerischer Hinsicht weit über derselben stehenden Handzeichnung bietet», schreibt Jules Beck (1925–1904) im Artikel «Über Photographie in höheren Alpenregionen», der im vierten Jahrgang des «Jahrbuchs des Schweizer Alpenclub» von 1867 abgedruckt ist. « Eine gelungene photographische Aufnahme … liefert auch die besten Anhaltspunkte für topographische Karten. » Abbilden, nicht abzeichnen wollte Beck, Mitglied der SAC-Sektion Bern, die hohen Berge, und zwar vor Ort, wenn möglich vom Gipfel aus. Den Blick von unten, der zu Beginn der Bergfotografie aus ganz praktischen Gründen wegen der ebenso schweren wie umständlichen Ausrüstung der einzig mögliche war, wollte der berg- und geschäftstüchtige Beck mit dem Blick von oben ergänzen.
Beck listete in seinem Artikel von 1867 über Aufnahmen unterhalb der Dufourspitze nicht nur das ganze Material detailliert inklusive Bezugsquelle und Preis auf –, sondern beschrieb die Fotos auch. Das war nötig, denn seine Leser sahen sie nicht. Seine Produkte konnten nur an einem zentralen Ort wie dem Clublokal einer Sektion betrachtet werden. Aus drucktechnischen Gründen war es nicht möglich, die ersten Jahrbücher der alpinistischen Vereinigungen mit Fotos zu illustrieren. Das vierte SAC-Jahrbuch von 1867 zum Beispiel schmücken drei Illustrationen – zwei Farbenholzschnitte sowie ein Farbendruck. Auch später waren Fotografien, wenigstens für auf Zeitungspapier gedruckte Blätter, noch nicht reproduktionsfähig.
Anders bei den Zeitschriften: Die erste Foto, die in einer solchen alpinistischen Publikation bei der Recherche zu vorliegendem Kapitel zu finden war, ist eine Porträtfoto von Karl Hofmann, Mitbegründer des Deutschen Alpenvereins, in der Vereinszeitschrift von 1870/71. Die eigentliche Bergfotografie taucht 1874 auf. Einerseits im ersten « Annuaire » des im gleichen Jahr gegründeten Club Alpin Français, unter anderem mit «Le Cervin vu du Riffel». Andererseits im «L' Echo des Alpes», das im März 1865 von der SAC-Sektion Genf als sektionseigenes Blatt lanciert, aber schon bald als Sprachrohr aller welschen Sektionen anerkannt wurde. Dank einem neuen Reproduktions- und Druckverfahren sind dem «L' Echo des Alpes» von 1874 drei Fotos beigefügt – auf ganz feines Papier gedruckt und eingeklebt.
Der Anfang war gemacht: Endlich konnten Vereinsmitglieder nicht nur über das Fotografieren schreiben, sondern die «Ausbeute» (Beck) auch allen zeigen. Englisch sprechende Alpinisten mussten sich allerdings noch bis 1881 gedulden: Erst dann fügte das «Alpine Journal», die älteste alpine Zeitschrift, der Novembernummer eine Foto bei: eine Panoramafoto vom Dom (4545 m) mit dem Nadelgrat, aufgenommen von William Frederick Donkin.
Donkin bei den Briten, Beck bei den Schweizern: Es ist kein Zufall, dass die grossen Bergfotografen der Anfangszeit ihre Aufnahmen in Periodika publiziert sahen. In der zweiten Hälfte der 1880er-Jahren ermöglichte das sogenannte Lichtdruckverfahren einen adäquaten Transfer der Bilddaten von der Glasplatte auf die Buchseite. Im 23. SAC-Jahrbuch von 1887 sind erstmals fünf Fotos gedruckt, darunter auch das Titelbild: «Verstanklahorn und Schwarzkopf vom oberen Vernela-Thal». Die Mehrheit der Fotos wurde allerdings für den Druck immer noch zu einer Zinkografie oder gar zu einem Holzschnitt umgearbeitet, was eigentlich einen Rückfall in alte Dar-stellungs- und Reproduktionstechniken bedeutete.
Vor- und Nachteile der beiden Techniken hatte schon Jules Beck in seinem eingangs zitierten Artikel thematisiert. Die Debatte wurde in den SAC-Publikationen immer wieder aufgegriffen. So meinte Alexander Rzewuski, Radiologe, Fotograf und Mitglied der SAC-Sektion Davos, in einem Artikel der «Schweizer Alpen-Zeitung» von 1892: «Gute Photographien stehen wohl auf gleicher Stufe wie gute Zeichnungen, nur sind letztere unvergleichlich viel schwerer zu erlangen und wenige handhaben den Zeichenstift oder Pinsel mit gleicher Virtuosität wie den Pickel oder Bergstock.»
Das Fotografieren jedenfalls beherrschten immer mehr Clubisten. Und immer mehr Publikationsorgane waren in der Lage, die Ergebnisse auch zu drucken. Im SAC-Jahrbuch von 1888 machen die Zeichnungen basierend auf Fotografien noch die Mehrheit aus. Es ist der 26. Jahrgang, 1990, und der erste in einem neuen, grösseren Format, das es erlaubte, den Illustrationen, also den Fotos, mehr Platz einzuräumen. 1910 ziert auch erstmals eine Farbfoto das Jahrbuch, sie hiess «Herbstzauber am Wetterhorn».
Der Siegeszug der Fotografie ist auch in anderen SAC-Publikationen zu sehen. Mit aussergewöhnlich vielen Fotos ausgestattet ist das «Album der Clubhütten des SAC» von 1897. Es erschien als Beilage zum Jahrbuch. Die «Alpina. Mitteilungen des Schweizer Alpenclub» brachte erstmals 1901 einen mit Fotos angereicherten Bericht – von einer « Winterexpedition auf den Gulmen». 1922 brachte die «Alpina» einen Bericht über eine Durchsteigung der Bietschhorn-Süd-wand: Der Erstbegeher Hans Lauper machte nicht nur die Fotos unterwegs, er zeichnete auch den Routenverlauf und die Schlüsselstellen ein. Die Foto kam zu den bisher üblichen gezeichneten Anstiegsskizzen hinzu.
In den Führern des SAC hingegen hielten Fotos mit eingezeichneten Routen erst 1939 Einzug: Im ersten und zweiten Band der zweiten Auflage des « Guide du Skieur dans les Alpes Valaisannes » erleichtern zahlreiche Luftaufnahmen mit rot eingezeichneten Routen die Orientierung.
Um «möglichst gute alpine Vorlagen für Tiefdruckreproduktionen für die 1925 erstmals erschienen ‹Alpen› zu erhalten», lancierte die Zeitschriftkommission im März 1932 einen «Amateurphotographie-Wettbewerb». 185 Clubisten sandten 853 schwarz-weisse Fotografien ein. Zwölf Wettbewerbsfotos beleben die «Alpen» von 1933, darunter die beiden Siegerbilder mit Jungfrau und Matterhorn, die aus heutiger Sicht etwas gar brav sind. Zwei andere Aufnahmen in derselben Ausgabe – Rosa Wenzel zum Beispiel beim Skiaufstieg über den Errgletscher, fotografiert von ihrem Mann Eugen, oder Hermann Hoerlins Foto der Wintererstbesteigung der Aiguille Noire de Peuterey – liessen aber erahnen, wohin sich die Bergfotografie ab den 1930er-Jahren entwickelte.
Im Januar 1983 erschienen die «Alpen» neu und vermehrt farbig. Als die Zeitschrift 1996 zum grösseren A4-Format wechselte, zeigt das Titelbild einen Snowboardfahrer, der über eine halb offene Gletscherspalte saust; es stammt vom Bergfotografen Robert Bösch. Im Innern findet sich ein neunseitiger und mit eigenen Arbeiten bebilderter Artikel von Giosanna Crivelli über «Photographieren im Gebirge». Da heisst es: «Der Apparat hängt, jederzeit bereit, um den Hals.»
So einen Apparat hätte Jules Beck gewiss auch gerne gehabt. Etwas allerdings ist seit den Anfängen des Fotografierens in und vor allem auf den Bergen gleich geblieben: Man muss, wenn man denn ein Motiv gefunden hat, auch wirklich auf den Auslöser drücken.
SAC-Mitglieder können das Buch «Alpine Fotografie in der Schweiz» zum Sonderpreis bestellen unter: www.sac-verlag.ch oder Tel. 081 258 33 35, Art.Nr. 10278